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Mein Weg durch die Transition

Teil 2 - Körperliche Angleichung

Teil 2.1. - bis zur amtlichen    

                 Namensänderung

Eintrag 20.03.09 

22. Woche meiner Hormonbehandlung. Am 16.03. hatte ich nun in Potsdam in der renommierten Klinik Sanssouci meine erste angleichende OP und habe alles super überstanden. Das nebenstehende Bild zeigt mich ca. 2 Stunden danach, zwar ein Häufchen Elend, aber trotzdem überglücklich. Vor der OP zeichnete Dr. Michael Krueger in meinem Gesicht alle Stellen schön bunt an, wo Veränderungen vorgenommen werden sollten. Es wurde an Hals, Kinn und Wangen Fett abgesaugt, an den anderen Stellen wieder etwas unterspritzt und die Oberlider wurden gestrafft. Für den Brustaufbau bekam ich Silikonimplantate von je 400 ml unter den Brustmuskel. 

Im Gesicht spannte nach der OP alles durch die Schwellungen, aber damit konnte ich leben. Etwas anders war es mit meiner Brust. Ich kam mir vor, als wenn die Armee einen darauf geparkten Panzer vergessen hätte, wieder wegzufahren. Durch den sehr festen Verband war an ein tief Durchatmen nicht zu denken. Aber diese Größe hatte ich mir gewünscht und so musste ich da nun durch. Die 400 ml waren das äußerste, was bei mir ohne Expanderimplantate möglich war, denn eine zweite Brust-OP, bei der die Expanderimplantate wieder ersetzt werden, wollte ich nicht. Die Schwellungen und Blutergüsse im Gesicht gehen heute schon zusehends zurück. Ganz leicht zeichnen sich auch schon vereinzelt die gewollten Veränderungen ab. Der stramme Verband um meine neue Brust wurde einen Tag nach der OP entfernt, so dass ich mich mit meinen beiden neuen Körperteilen bekannt machen konnte. Sie sehen wunderschön aus und bringen es auf ein volles B-Körbchen.

Die Versorgung, Betreuung und Unterbringung in der Klinik Sanssouci war bestens. Als Privatpatientin in einer Privatklinik hat schon etwas für sich. Mir hat es an nichts gefehlt. Den meisten war sicherlich auch bekannt, dass ich eine Transsexuelle bin, aber ich wurde in allen Situationen zuvorkommend als Frau behandelt. Schließlich hat man in der Klinik Sanssouci ausreichend Erfahrung mit Transsexuellen. Zum Leistungsumfang der Klinik gehören auch genitalangleichende Operationen.

In der nächsten Woche muss ich nun wieder nach Potsdam zum Fädenziehen. Dann kommen auch die letzten verbliebenen Pflaster ab.

 

Eintrag 18.04.09 

26. Woche meiner Hormonbehandlung. Die Spuren meiner OP, Schwellungen und Blutergüsse, sind recht schnell abgeklungen und nicht mehr vorhanden. Mit dem Ergebnis bin ich sehr zufrieden. Ich hätte nicht gedacht, dass es so gut wird. An meine zwei neuen Freundinnen, meine Brüste, habe ich mich auch recht schnell gewöhnt. Sie sind wunderschön und unterstreichen das Ergebnis der Veränderungen in meinem Gesicht.

14.03.2009, vor Brustaufbau, Brustwachstum nur durch Hormone

15.03.2009, kurz nach Brustaufbau mit stützendem Verband

22.03.2009, 1 Woche nach Brustaufbau

14.04.2009, 1 Monat nach Brustaufbau

Seit 14.04. gehe ich nun auch wieder arbeiten. Es war mein ausdrücklicher Wunsch, obwohl mein Psychologe anfangs nicht sonderlich davon begeistert war, dass ich mich da eventuell massiver Angriffe stellen werden muss. Aber es kam nicht so schlimm, wie befürchtet. Nur mein direkter Chef hat sich zu Aktionen hinreißen lassen, die in die Kategorie böswilliges Mobbing einzuordnen sind, da ist das letzte Wort sicherlich noch nicht drüber gesprochen. Ich bin aber erstaunt, wie leicht ich das weggesteckt habe. Sicherlich half mir hier die Erfahrung bei der psychischen Bewältigung eines ähnlichen Problems mit dem Modellbahnverein.  

Der erste Arbeitstag brachte für mich leider auch eine nicht gerade erfreuliche Überraschung. Auf Grund meiner frischen Brust-OP hat der Arbeitsmedizinische Dienst für mich einen Einsatz auf meiner und ähnlichen Maschinen, wegen der Vibration während des Arbeitsprozesses, für ein halbes Jahr untersagt. Das war natürlich ein Schlag ins Kontor. Ich hatte mich schon so darauf gefreut, endlich wieder mit meinen Kollegen draußen auf dem Bau zusammen arbeiten zu können. Auch sie freuten sich schon auf mein Wiederkommen. Das wird nun erst mal nichts und wer weiß, ob es überhaupt noch mal was werden wird. Jetzt bin ich erst mal befristet im Lager und ich staune, dass das auch hier eine abwechslungsreiche Arbeit ist, fernab vom Schraubenzählen oder Ähnlichem. 

Meine ersten Arbeitstage als Frau im Betrieb hatte ich skeptisch erwartet. Man kennt mich dort bis auf wenige Ausnahmen bisher nur als Mann und nun ist dieser Mensch eine Frau. Es ist aber alles sehr gut gegangen. Trotz ganz weniger Ausnahmen bin ich als Frau akzeptiert. Bis auf allgemeine Berührungsängste, aber das ist normal und wird sich auch wieder legen, geht man sehr zuvorkommend mit mir um. Erfahrungsgemäß normalisiert sich das im Laufe der Zeit. Ich laufe vor diesen Leuten auch nicht weg, dazu habe ich bereits ein viel zu gefestigtes Selbstbewusstsein als Frau. 

Wenn mir noch vor 2 Jahren, obwohl ich mein Coming-out schon hatte, jemand gesagt hätte, dass ich mal selbstbewusst und aufrecht als Frau durch meinen Betrieb gehen werde, den hätte ich als vollidiotischen Spinner bezeichnet. Zu was man doch alles fähig ist, wenn man es auch nur wirklich will!

 

Eintrag 31.05.09 

32. Woche meiner Hormonbehandlung. Meine körperliche weibliche Entwicklung geht zusehends weiter. Die Hüften und der Po bekommen langsam frauliche Formen, auch mein Brustumfang hat wieder etwas zugenommen. Es wird also! 

Arbeitsmäßig habe ich mich im Lager mit seinen umfangreichen "Nebenbeschäftigungen" etabliert. Für meinen nun bisherigen direkten Vorgesetzten existiere ich nicht mehr, werde vollkommen ignoriert. Er will absolut nicht begreifen, dass Menschen, die anders sind, vor allem nicht so wie er, machohaft und selbstherrlich, auch als Persönlichkeit anerkannt werden müssen, übrigens ein deutsches Grundrecht, das er nur für sich einfordert. Für einen Vorgesetzten ein Armutszeugnis. Leider ist das nicht so spurlos an mir vorbeigegangen, wie ich heute doch feststellen muss. Psychisch habe ich daran schon zu knabbern. Viele Jahre waren wir bei der Montage 24 Stunden am Tag zusammen, haben gemeinsam im Wohnwagen gelebt und haben auf dem Bau gemeinsam unser Bestes gegeben. Von heute auf morgen wurde das Geschichte für eine Tatsache, für die ich nicht mal was kann. Transsexuell bin ich ja nicht erst gestern geworden, die Veranlagung steckt schon ewig in mir drin. Ich konnte sie nur so lange kompensieren. 

 

Eintrag 16.06.09 

34. Woche meiner Hormonbehandlung. Zwischenzeitlich habe ich so zu sagen als Nachtrag zu meinen operativen Veränderungen im Gesicht auch noch meine Lippen unterspritzen lassen. Sieht klasse aus und gefällt mir bestens. Übermorgen habe ich wieder einen Termin in der Klinik Sanssouci zur Kontrolle, da soll dann an der Unterlippe noch ein wenig "nachgearbeitet" werden.

Bei den hormonell bedingten Veränderungen an meinem Körper ist jetzt unverkennbar, dass die Hüften breiter und der Po zusehends runder wird. Bei den Oberschenkeln hat sich der Umfang ebenfalls etwas vergrößert. 

Ich bin nun schon äußerlich fast eine komplette Frau, wenn da nicht noch etwas zu viel an mir sein würde. Wann auch das verändert werden kann, steht immer noch in den Sternen, von der Krankenkasse oder MDK bisher keine Reaktion. Nur das Vormundschaftsgericht hat sich gemeldet, um mir mitzuteilen, dass das zweite Gutachten für meine Namenänderung auf unerklärliche Weise verschwunden ist. Na fein, da dauert das dann noch länger!

Außerdem war heute die Gerichtsverhandlung im Beleidigungsverfahren gegen zwei Mitglieder des Brandenburger Modellbahn-Freunde e.V., in dem ich mal Mitglied war. (siehe weiter oben die Einträge vom 19.12.2007 und 04.01.2008) Der Richter hat den Beklagten versucht zu erklären, dass sie natürlich Meinungsfreiheit haben, die Wortwahl aber nicht derart verbal sein darf. Wir haben uns auf einen Vergleich geeinigt, dem die Beklagten nur widerwillig zustimmten. Sie müssen mir nun eine festgelegte Entschädigung zahlen. So richtig haben sie aber anscheinend den ganzen Umfang dieser Angelegenheit noch immer nicht begriffen, weil sie doch "nur" ihre Meinung gesagt haben. Sie sind doch unschuldig. Ein noch viel positiveres Ergebnis hat dieses Verfahren noch zusätzlich. Es kam zum Ausdruck: Transgender sind kein Freiwild!!!

 

Eintrag 12.07.09 

37. Woche meiner Hormonbehandlung. Die Verweiblichung meines Körpers geht zusehend weiter. Die allgemeine Körperbehaarung wird nun auch an den Beinen merklich weniger. Ebenfalls beim Epilieren bin ich ein großes Stück weiter gekommen. Seit mein Studio auf die ganz neue Radiofrequenz-Technologie umgestellt hat, verschwinden auch die weißen Härchen mit zu wenig Melanin, denen man mit IPL nicht habhaft werden kann. So bleibt mir die schmerzhafte Nadelepilation erspart. 

In der Angelegenheit mit meinem, trotz vorübergehender Versetzung, noch immer Vorgesetzten im Betrieb, hatte ich vor einem Monat in der Betriebszentrale in Berlin ein Gespräch mit dem Personalbüro. Mal sehen, was deren Worte wert sind, oder ob sie nur wegen des Antidiskriminierungsgesetzes so reagiert haben. Natürlich mussten mir dann dort auch noch mein Niederlassungs- und der Abteilungsleiter über den Weg laufen. Sie waren offensichtlich nicht sonderlich begeistert, mich in der Zentrale zu sehen. Die Probleme sind zwar in der Niederlassung bekannt, nur keiner hat was dagegen unternommen, so dass ich nun zur Selbsthilfe gegriffen habe.

Bei der Krankenkasse bezüglich Kostenübernahme und dem Vormundschaftsgericht gibt es noch immer keine Reaktionen. Ob die überhaupt noch wissen, dass ich noch existiere und immer noch genau so transsexuell bin wie vorher und auf eine Entscheidung warte? Ich hab sie jetzt angeschrieben, wie denn der Bearbeitungsstand ist. 

Ansonsten lebe ich mein Leben als Frau, als ob das immer schon so gewesen wäre und es nie anders war. Ein Auftreten in der Öffentlichkeit ist kein Highlight mehr mit Kribbeln im Bauch, es ist stink normal geworden. Auch der Mut zu gewagteren Outfits ist kein Problem. Ich werde da natürlich wie jede andere Frau, die sich schick kleidet, eingehender gemustert und dann – tja – dann war es das. Ein perfektes Passing – genau das ist es, was wir Trans* sehnlichst wünschen, wenn wir die "sichere" Wohnung verlassen.

Leider gibt es aber immer mal wieder negative Erlebnisse, beispielsweise beim Bezahlen mit "Plastikgeld" oder nach dem Personalausweis wird gefragt und du musst dich dann offenbaren, weil die Namenänderung noch immer nicht durch ist. Öfter wurde ich danach schon schief angesehen: Auweia, keine Frau, sondern ein verkleideter Mann, wie lustig aber was nun!?. Das ist sehr frustrierend und hat mich in letzter Zeit schon manchmal an den Rand der Verzweiflung gebracht. Du sollst hier eingestehen, was du schon längst nicht mehr bist und womit du dich überhaupt nicht mehr identifizierst. Manche Träne ist da schon gekullert und es ist kein Ende abzusehen...  

(Ein Bekannter hatte mir mal erzählt, dass Rumgetrödele bei den Behörden ganz normal sei, weil da immer Mikado gespielt wird: Wer sich zuerst bewegt, hat verloren!)

Irgendwie wurde mir das alles dann zu viel, teilweise schwere Depressionen haben mich fast lahm gelegt und deshalb bin ich seit einigen Wochen auch wieder krankgeschrieben. Leider habe ich hier in Brandenburg keine so gute Freundinnen wie in Berlin, mit denen ich schnell mal über alles verständnisvoll reden kann. 

 

Eintrag 25.07.09 

39. Woche meiner Hormonbehandlung. Die Entwicklung geht normal weiter und es bestehen keine Probleme mit den eingenommenen Hormonen und dem Androcur. 

Dafür durfte ich diese Woche mal austesten, wie weit ich psychisch belastbar bin. Anfang der Woche teilte mir das Vormundschaftsgericht mit, dass mein zweites Gutachten noch immer nicht wieder aufgetaucht ist und man nun eine Kopie bei der Gutachterin Frau Sieglinde Bast bestellt hat. Als "Beweis" wurde das entsprechende Anschreiben an Fr. Bast beigefügt, diesmal versehen mit einer Anschrift, von der Fr. Bast sicher noch selbst nicht weiß, dass sie dort wohnen bzw. praktizieren soll. Und am Freitag meldete sich dann meine Krankenkasse mit der Hiobsbotschaft, dass mein Antrag auf Kostenübernahme für die Ga-OP noch gar nicht bearbeitet wird, weil sämtliche Unterlagen mit Indikation u.a. meines behandelnden Arztes fehlen. Er hat mir aber versichert, alles hingeschickt zu haben. Er hat auch jedes Mal gefragt, ob die Krankenkasse schon eine Entscheidung getroffen hat. Was ist nun wahr, wo liegt der Hase im Pfeffer, wird irgendwo gelogen??? Für die erste Augustwoche habe ich mit Prof. Dr. Elling vom Sana-Klinikum (Oskar-Ziethen-Krankenhaus) in Berlin Lichtenberg einen Beratungstermin zur Ga-OP vereinbart. Der Termin für die OP steht zwar noch nicht fest, kam nun aber in greifbare Nähe. Soll jetzt die OP vielleicht wieder in weite Ferne rücken? Ich sah mich schon fast am Ziel und nun ist alles so leer. Das Warten und Hoffen bis hier alles sinnlos und um sonst? Wie lange nun noch? Ich bin nicht mehr die Jüngste und möchte von meinem schönen neuen Leben noch so viel wie möglich und "richtig" genießen! Da wiegt jede vermeidbare Verzögerung doppelt schwer. Oder sollte ich vielleicht doch aufgeben und mich ins Auto setzen und den nächsten Baum oder Brückenpfeiler nehmen? Wenn ich mein neues Leben nicht so lieben würde, hätte ich es bestimmt schon getan. Meine Psyche spielt jetzt jedenfalls erst mal verrückt und emotional kann ich mich auch vergessen.  

 

Eintrag 31.07.09 

40. Woche meiner Hormonbehandlung.

Eigentlich müsste ich mit dem zufrieden sein, was ich in so kurzer Zeit alles erreicht habe. Als Frau werde ich akzeptiert, mein Passing ist bestens, man erkennt mich nicht mehr als biologisch Mann. Die erste operative Angleichung meines männlichen Körpers an den einer Frau war erfolgreich. Am 20.08. will ich da ansetzen und weitere Verbesserungen in der Asklepios-Fachklinik in Birkenwerda von Frau Dr. Ursula Tanzella machen lassen. Diese Klinik wurde mir von meiner Freundin Patrizia besonders dafür empfohlen. Es soll mein Bauch durch Fettabsaugen flacher und die Taille schmaler werden. Bei der Gelegenheit lasse ich in meinem Gesicht mit Eigenfett noch "Nacharbeiten" vornehmen. 

Viele stellen jetzt sicherlich die Frage; 'Was will sie mehr?' – Ja, was will sie mehr? Für mich fehlt eben nun noch die alles entscheidende Angleichung zwischen den Beinen. Ich wähnte mich schon fast am Ziel, doch nun ist schon viel Zeit sinnlos verstrichen und nicht mal in den Sternen steht, wie viel noch. Ich bin keine 20, 30 oder 40 Jahre mehr alt, ich bin schon über 50 und da denkt man schon eher, dass alles sehr schnell vorbei sein kann. Wirft man einen Blick in die Zeitung auf die Todesannoncen, sieht man, wie viele in diesem Alter schon ins Gras beißen. Und ich stehe erst am Anfang meines wirklichen Lebens.

Mit meiner Kraft bin ich fast am Ende, deshalb habe ich aufgehört zu hoffen, dass ich bald ein normales Leben als Frau und in Frieden leben kann. Erst das Chaos im Vormundschaftsgericht Potsdam mit meiner Namensänderung und nun das Hin und Her im Wechselspiel zwischen meinem behandelnden Arzt und der BKK Bahn. Und überall spielen sich da welche als Obergurus auf, ohne sich auch nur etwas in die Gefühle und den Leidensdruck von Transsexuellen reinversetzen zu können oder zu wollen. Da wird an der Diagnose -transsexuell- womöglich noch rumgedoktert, obwohl die Wissenschaft schon lange festgestellt hat, dass Transsexualität nicht messbar und auch nicht therapierbar ist, aber wir sind ja nach ICD 10 (Version WHO) identitätsgestört und deshalb krank. Krank macht uns nicht unsere Transsexualität, krank macht und das Prozedere drum herum. Transsexuell bin ich vom ersten Tag meines Lebens an und daran ändert niemand etwas! Geboren wurde ich leider als Mädchen mit Penis und Hoden. Deshalb wurde auch festgelegt, dass ich männlich sein muss. Dem ist aber nicht so und das will ich, wen wundert's, nun schnellstens geändert haben. Jahrelang wurde ich falsch erzogen und geprägt. Dafür kann ich aber niemanden einen Vorwurf machen, schon gar nicht meinen Eltern. Wer wusste bzw. ahnte schon, dass ich transsexuell bin. Die Erkenntnis kam viel später, selbst ich habe Jahre gebraucht, das zu begreifen und zu akzeptieren.  

 

Eintrag 10.08.09 

42. Woche meiner Hormonbehandlung. Keine Änderung, nichts Neues. Bestimmte Themen habe ich so gut es geht in meinem Gehirn ausgeklammert, eingefroren. Lasse ich sie zu, dann müsste ich mich wahrscheinlich als suizidgefährdet bezeichnen.

Sicherlich wäre eine Ablehnung durch KK oder MDK auch hart, aber damit muss man rechnen, das muss man einkalkulieren. Aber ein Vertrauensverlust in den behandelnden Arzt (Psychologen), der ist nicht kalkulierbar. Wir hatten alles abgesprochen und er wollte dann alle Behandlungsberichte und die Indikation an die KK schicken. Bei jedem Behandlungstermin hat er sich bei mir erkundigt, ob die KK schon eine Aussage getroffen hat. Nun habe ich erfahren, dass er ja noch nichts, gar nichts an die KK zur Bearbeitung eingereicht hat. Und eine Nachfrage der KK vor kurzem bei ihm ist ebenfalls negativ verlaufen, keine Reaktion. 

Ein Arztwechsel wäre angebracht. Aber was nützt das, wenn er die Unterlagen auch hier nicht rausrückt. Dann kann der nun behandelnde Arzt auch nichts machen, er kennt mich ja auch noch gar nicht und eine gerichtliche Auseinandersetzung dauert womöglich Jahre.

 

Eintrag 31.08.09 

45. Woche meiner Hormonbehandlung. Hormonell gibt es keine Beschwerden. Mein Leben mit den weiblichen Hormonen funktioniert, als wäre es schon immer so gewesen und ich lebe mein Leben als Frau, aber eben mit einem Makel. 

Vor einer Woche habe ich beim Vormundschaftsgericht in Potsdam eine Dienstaufsichtsbeschwerde eingereicht und siehe da, ich bekam darauf zwar noch keine Antwort, aber das 2. Gutachten wurde mir zugesandt, so dass ich weiß, es ist nun endlich aktenkundig. Bei der Gelegenheit habe ich gleich noch eine Zahlungsaufforderung über 1.300.00 Euro Bearbeitungsvorschuss bekommen, damit mein Antrag weiterbearbeitet werden kann. 

Am 20.08.2009 hatte ich mich wieder der plastischen Chirurgie anvertraut. Diesmal wurde am Bauch und in der Taille Fett abgesaugt und einiges davon im Gesicht erneut unterspritzt. Vom Unterspritzen mit Eigenfett im März war leider nicht viel übriggeblieben, weshalb ich es noch mal habe machen lassen. Diese OP erfolgte im Dämmerschlaf, man bekommt dabei folglich einiges mit. Es war nicht gerade sonderlich angenehm, trotz Betäubung. Aber ich bin froh, die OP gemacht zu haben, obwohl auch danach einem noch einiges abverlangt wird. Für 6 Wochen muss ich nun ein ganz strammes Mieder tragen, damit die Haut auf dem "Unterbau" angedrückt wird und wieder anwächst. Mein Bauch sieht derzeit aus, als wäre ich beim Boxen Sparringspartner ohne Schutz gewesen. Und wie war der Kommentar meiner Partnerin? "Wer schön sein will, muss leiden!" Ha, Ha ... Mal sehen, wie dann das Endergebnis ist, wenn alle Schwellungen abgeklungen sind, aber das dauert noch einige Zeit.

Letzten Montag hatte ich wieder einen Termin bei meinem Psychologen. Er hat mir unter Bedauern erklärt, dass er noch immer (nach 5 1/2 Monaten) keine Zeit gefunden hat, den geforderten psychotherapeutischen Behandlungs-/Verlaufsbericht für die Krankenkasse fertig zu machen. Ich müsse das doch verstehen. Psychisch bin ich deshalb eigentlich schon längst am Ende und an ein Wiederarbeitengehen ist vorerst nicht zu denken. Wie auch, wenn ich nur schwer klare Gedanken fassen kann, gewisse Gedanken krampfhaft ausklammere. Jede Nacht wird zum Horror, weil ich fast die ganze Zeit wach liege. Dazu kommt, meine Partnerin ist schon längst mit dieser Situation hoffnungslos überfordert, streckenweise leben wir nur noch nebeneinander, aber nicht mehr miteinander. Noch nie in meinem Leben habe ich so viel über ein endgültiges Ende nachgedacht – du stehst vor deinem Ziel und darfst es doch nicht erreichen...

 

Eintrag 04.10.09 

50. Woche meiner Hormonbehandlung. Hormonell gibt es weiterhin keine Beschwerden. Seit ich nun auf Perücken weitestgehend verzichte, scheinen es mir meine Haare auf dem Kopf zu danken. Sie wachsen wie verrückt, werden immer dichter und kräftiger. Auch das Längenwachstum ist fantastisch. Die restliche Körperbehaarung dümpelt so vor sich hin, eine Änderung kann ich hier derzeit nicht verzeichnen. Körperlich hat sich ebenfalls nichts merklich verändert.

Die vergangenen letzten Wochen waren geprägt von totaler Lethargie, gepaart mit Kreislaufproblemen und einem Nervenzusammenbruch. Psychisch bin ich durch die Hölle gegangen. Ich hatte aufgegeben, zu hoffen, zu glauben, zu kämpfen. Alles war mir völlig egal geworden. Nie hätte ich im Leben gedacht, dass ich mal so derart aus der Bahn geworfen werden könnte. Der Auslöser, die Erkenntnis, der meine Transition begleitende Facharzt hat in einem halben Jahr keine Zeit gefunden, meinen Antrag auf Kostenübernahme für die Ga-OP bei der Krankenkasse zu begründen und mich dann in dem Glauben gelassen, alles sei in Butter, war nur die Spitze des Eisberges. Die eigentliche Ursache war das Wiederaufreißen alter, schon verheilt geglaubter Wunden. Ich lebe zwar anerkannt und akzeptiert als Frau. Wer von meiner durchgemachten Veränderung nichts weiß, ahnt auch nichts derartiges. Das habe ich alles durch Eigeninitiative und konsequentes Auftreten in meiner neuen Sozialisierung erreicht, aber wehe, du bist von Menschen abhängig, die um deinen Weg wissen und dann noch obendrein berufen sind, über deinen weiteren Weg zu entscheiden. Da liegt der Hase im Pfeffer, da wird alles, was schon für dich nicht einfach ist, noch zusätzlich verkompliziert und über Gebühr behindert. Plötzlich war alles wieder da, das Anrennen gegen verschlossene Tore, Sachbearbeiter, die deine ganze Problematik überhaupt nicht zu interessieren scheint und dann der Glaube, dass du wohl doch nicht so toll bist, weil du zu einer nur kleinen Minderheit gehörst, die in der Gesellschaft immer noch weitgehend gemieden, teilweise bekämpft wird, obwohl gerade das deutsche Persönlichkeitsrecht etwas anderes suggeriert. Und du wirst immer älter und älter und möchtest doch noch so viel von deinem neuen schönen Leben abhaben, kurzum, die so genannte Torschlusspanik. Hier habe ich dann erfahren dürfen, was wirklich gute Freundschaften wert sind. Aber auch meine Partnerin, obwohl sie selbst nicht die Kraft (gesundheitlich bedingt) hat, mir direkt zu helfen, sie war da, war an meiner Seite und hat mich auch dadurch gestützt. Alle sie haben mich ins Leben zurückgeholt und wieder die Kraft des Widder in mir geweckt.

Die Widder-Frau ( aus http://www.goastro.de/

Wie der Widdermann, so ist auch die Widderfrau äußerst aktiv und abenteuerlustig. Konkurrenzkämpfen geht sie nicht aus dem Weg, im Gegenteil sie zeigt, wie ein Widder kämpfen kann. Ihr tatkräftiges und siegessicheres Naturell lassen sie die Härten und Widrigkeiten des Lebens bestens meistern. Die Widderfrau braucht keinen Ernährer, sie ist selbstständig und durchaus lebenstüchtig. Diese leistungsstarke Frau wird meist Karriere machen, wobei sie ihre Familie nicht vernachlässigt, denn sie zeigt auch als Mutter und Ehefrau großes Engagement. In der Liebe ist sie leicht entflammbar. Ein Blick, eine Geste, ein paar schöne Augen und schon ist es um das Herz der Widderfrau geschehen. Wird sie enttäuscht, zögert sie nicht lange mit der Trennung, denn ihrer romantischen Vorstellung von Liebe entsprechen keine Enttäuschungen und Verletzungen.

Da scheint etwas Wahres dran zu sein, wenn ich so die letzten Stationen meines Lebens betrachte. Auch in psychotherapeutischen Gesprächen ist mir bescheinigt worden, dass ich immer einen Weg gefunden habe, wie ich mit meiner momentanen Situation klar komme. Dass das je nach Problematik und Umständen mal recht lange, mal weniger lange dauert, ist normal, aber immer habe ich mich selbst aus meiner scheinbar aussichtslosen Zwangslage befreit. So ist es auch diesmal. Es wird sicherlich hier eine Weile dauern, bis ich wieder die alte bin, aber es geht vorwärts. Die Weichen wurden in den letzten Tagen gestellt, auch mit Unterstützung unserer Selbsthilfegruppe. Manche Betroffene pfeifen auf eine Selbsthilfegruppe, so nach dem Motto, ich kann mir noch sehr gut selbst helfen. Das mag in gewisser Hinsicht auch so sein, denn deinen Weg musst du selbst gehen und alle nötigen Entscheidungen selbst und für dich eigenverantwortlich treffen, da kann keiner helfen. Aber wenn es um Erfahrungen geht, um Kontakte zu kompetenten und vor allem verständigen Ärzten und, und, und, dann ist eine Selbsthilfegruppe Gold wert.  

 

Eintrag 17.10.09 

1 Jahr Hormonbehandlung. Abgesehen von den 2 Angleichungsoperationen ist mein Körper dadurch insgesamt sehr weiblich geworden: Die Haut ist viel weicher und geschmeidiger, die Gesichtszüge wurden weiblicher, die Körperbehaarung ist weniger geworden und wächst auch viel langsamer, dagegen sind meine Haare auf dem Kopf voller und viel kräftiger, sogar beginnende Lücken haben sich wieder geschlossen und der Körper hat weiblichere Konturen bekommen. Ist doch sagenhaft, was die Hormone auch in meinem Alter noch so alles verändern können. Nur mit dem Brustwachstum, das hat nicht so klappen wollen. Auch bin ich heute viel emotionaler als vorher und Depressionen haben mich öfter ausgebremst. Trotzdem hat sich mein Bewusstsein, dass ich doch wirklich eine Frau bin, wenn auch im falschen Körper, gefestigt. Ich lebe so, lebe meine wahre Identität und lasse mir das von niemandem streitig machen. Der vorliegende gerichtliche Beschluss zur offiziellen Vornamenänderung in Harumi Michelle unterstreicht zusätzlich diese Tatsache. 

Nächste Woche ist nun mein Vorstellungsgespräch bei Dr. Schaff in München zur Durchführung der Ga-OP und ich soll hier eventuell meinen Termin dafür bekommen. Die Warteliste ist lang und so werde ich mich wohl bis zur OP noch ca. 1 Jahr gedulden müssen, was auch heißt, dass ich dann erst mit nahezu fast 55 Jahren mit allem durch sein werde.

 

Eintrag 27.10.09 

Mein Entschluss, wo ich die Ga-OP auch auf Grund neuer aktueller Informationen machen lassen werde, ist nun endgültig. Vor ein paar Tagen hatte ich ja mein Vorstellungsgespräch bei Dr. Schaff in München. Er hat mir alles sehr anschaulich und vor allem verständlich erklärt und, er hat sich viel Zeit dafür genommen. Das ganze Gespräch strahlte eine herzliche Wärme aus, die ich in den Beratungsgesprächen bei den anderen bereits konsultierten Operateuren vermisst hatte. Schon so wird zwischen Arzt und Patientin viel Vertrauen aufgebaut. Zum Schluss habe ich mich dann für die OP vormerken lassen. Es wird nun also langsam "ernst". Die Zeit der "nur" Lippenbekenntnisse ist vorbei, ich werde die wohl größte Entscheidung meines Lebens vollziehen

Meine Partnerin war nach München mitgekommen und wir sind dann noch über das Wochenende dort geblieben. Einfach wunderschön, wie wir zwei Frauen aufgenommen wurden. Wir konnten auch wirklich nichts ausmachen, dass meine Weiblichkeit eventuell angezweifelt wurde, ein perfektes Passing. 

 

Den Harald gibt es nach erfolgtem gerichtlichen Beschluss nicht mehr, er ist nur noch Bestandteil meiner persönlichen Lebensgeschichte. Zur Vollendung des weiblichen Körpergefühls "fehlt" aber immer noch die genitale Angleichung. Oberhalb der Gürtellinie ist ja bereits alles schon sehr weiblich.

 

Wir mussten lernen, dass "SIE" ICH sein wollte, "SIE" die Kraft hatte, sich einzufordern, "SIE" mich miserabel fühlen lassen konnte, wenn ich versuchte, "SIE" zu ignorieren.

 

Ich lebe mein wahres Leben! 19.11.2009 (Aber auch gar nichts wurde hier gestellt; ein klasse Schnappschuss!)

 

Und das ist "SIE", nein, jetzt bin ICH es, ICH bin "SIE" !

 

Einige Bilder hier können auch vergrößert werden, einfach nur anklicken

© H. M. Waßerroth