www.Harumi-Michelle.de

Mein Weg durch die Transition

Teil 2 - Körperliche Angleichung

Teil 2.2. - ab der amtlichen    

             Namensänderung

Eintrag 09.11.09 

Ein denkwürdiges Datum – vor genau 20 Jahren viel die Mauer, für mich wurde der Weg frei, eventuell mal so leben zu können, wie ich es mir wünschte. Dass ich noch einen sehr langen Weg vor mir hatte, den ich nicht mal in etwa abschätzen konnte, wusste ich da noch längst nicht. Nun lernte ich erst mal langsam die Zusammenhänge kennen.  

Heute lebe ich mein weiblich geprägtes Leben, komme super mit meiner neuen Identität klar und kann mir (fast) nichts Schöneres vorstellen, (weil ich ja noch nicht am Ziel bin). Seit ich nun auch einen neuen Personalausweis mit meinem neuen Namen habe, ist es noch mal so schön. Die Bankkonten incl. EC- und Kreditkarte werden in den nächsten Tagen auf meinen jetzigen Namen umgestellt und dann hat endlich das "Immer-Wieder-Outen" und Erklären ein Ende. Lange genug hat es ja gedauert, immerhin bis auf wenige Tage fast 14 Monate. Es war nicht immer leicht, oft fühlte ich mich der Behördenwillkür hoffungslos ausgeliefert! 

Ähnlich ist es mit der Arbeitsweise der Bahn-Krankenkasse, so lange die nicht alle noch nach und nach gewünschten Zettel mit den entsprechenden Informationen hat, fühlt sie sich auch nicht gemüßigt, irgendwie vielleicht schon mal mit der Bearbeitung eines Antrages anzufangen. Die Ausstellung meiner neuen Chipkarte dauerte 5 Monate und an der Bearbeitung meines Antrages für die Kostenübernahme der Ga-OP bastelt man sogar schon ein 3/4 Jahr. Und dann wundert man sich, dass die Psyche der Patientin irgendwann verrückt spielt und eine Krankschreibung deswegen ins Unendliche läuft. 

Eigentlich aber fast logisch, da sollen Sachbearbeiter über medizinisch qualifizierte Behandlungen entscheiden und wissen gar nicht genau, über was sie da entscheiden sollen. Wie erklären sich sonst solche Fragen, die ich abklären soll, beispielsweise, wie lange ich nach dieser OP denn nun noch Hormone nehmen muss. Eine Sachbearbeiterin kann wohl nicht in allen Fällen die wichtigsten Eckpunkte einer OP kennen, dann sollte sie aber auch nicht darüber entscheiden müssen! Na und beim MDK sind bestimmt auch nicht Fachärzte aller Fachgebiete vertreten.

Nun hänge ich mal wieder in einer Warteschleife, deren Dauer in diesem Fall die BKK Bahn bestimmt. Jedenfalls weiß ich von Freundinnen, die nach mir bei Dr. Schaff zum Vorstellungsgespräch waren und bei denen die Krankenkasse die Kostenübernahme zugesagt hat, in der Regel dauert das 2 bis 4 Monate, dass sie auch schon ihren OP-Termin haben. Aber vielleicht bin ich ja doch zu alt dafür und die BKK hofft, ich segne wie leider immer mehr Menschen in meinem Alter schon das Zeitliche oder ich überlege mir das alles vielleicht doch noch mal und man hat dann viel Geld gespart!

 

Eintrag 06.12.09 

Nun sind es schon 60 Wochen mit Hormonbehandlung. Die Verträglichkeit ist weiterhin sehr gut. Nach langer Wachstumspause haben sich seit einigen Wochen meine Brüste "entschlossen", doch weiter zu wachsen, worüber ich natürlich nicht gerade traurig bin.

Seit meinem psychischen Zusammenbruch Mitte September, wozu viele Ursachen wie Bausteine geführt haben, sind glücklicher Weise keine schweren Depressionen mehr aufgetreten. Irgendwie war ich am Ende, wollte aus allem aussteigen, aber ich habe auch hier, wie schon immer, wieder einen Ausweg gefunden. Unterstützung hatte ich, wenn auch nicht direkt, doch durch die Nähe lieber Freundinnen und natürlich meiner Ehepartnerin, die ja auch mit gelitten hat, weil sie mir nicht helfen konnte. Heute sehe ich mich nun wieder in der Lage, darüber umfassend zu sprechen, was lange nicht möglich war. Nur die innere Ruhe, das einfach nicht zur Ruhe Kommen, die Rastlosigkeit hängt mir immer noch an. Es ist dieser sogenannte Leidensdruck, Körper und Seele sind noch immer keine Einheit, der mich nicht zur Ruhe kommen lässt. Die Nächte sind ebenfalls wie schon lange ein Horror, spätestens nach 4 Stunden Schlaf ist die Nacht gelaufen. Von meinem Psychologen bekomme ich dagegen seit ein paar Wochen Psychopharmaka. Ich sage dazu immer, das ist mein Haschisch, meine Droge. Nach ausreichender Dosierung komme ich mir dann vor wie eine Demenzkranke, das Zeug legt das Kurzzeitgedächtnis teilweise lahm. Oft kriege ich etwas nicht mit oder vergesse es wieder. Aber eine Dauerlösung ist das auch nicht! Es wird nur an den Auswirkungen gebastelt, die Hauptursachen bestehen ja weiterhin, diese quälende Ungewissheit. Arbeiten will ich doch auch mal wieder gehen und das ist so nun mal nicht möglich. Bei mir ist ziemlich alles durcheinander gekommen, was durcheinander kommen konnte und ein Ende ist immer noch nicht absehbar. (Wie schön muss doch ein Leben nach „Schema F“ sein, irgendwo wird ständige Hektik auch mal langweilig..) 

 

Eintrag 27.12.09 

63 Wochen Hormonbehandlung, ohne Probleme. Mein Körper verträgt alles weiterhin gut.

Weihnachten 2009 ist nun vorbei und das Jahr neigt sich seinem Ende zu, Grund genug, um auf dieses Jahr zurück zu blicken. Es war ein turbulentes Jahr mit vielen Höhepunkten, aber leider auch teilweise mit sehr negativen Ergebnissen, auf die ich gern verzichtet hätte und von denen ich mich bis heute noch nicht so richtig erholt habe. 

In den ersten Monaten dieses Jahres war ich noch mit meiner Namenänderung, die bereits schon mit dem Ergänzungsausweis der dgti vor der offiziellen gerichtlichen Änderung möglich ist, beschäftigt. Dann bin ich, allerdings nur vorübergehend, wieder arbeiten gegangen. Wenn auch das Verhältnis vieler Arbeitskollegen mir gegenüber recht abgekühlt ist, wurde ich von fast allen als Frau immer korrekt und höflich behandelt. Vor Gericht habe ich gegen zwei Vereinsmitglieder des Brandenburger Modellbahn-Freunde e.V. wegen Beleidigung auch Erfolg gehabt. Zwei Angleichungsoperationen, die ich wollte, habe ich über mich ergehen lassen und das heute perfekte Passing bestätigt das gute Resultat dieser Operationen. Ich werde nicht mehr als Mann erkannt bzw. angesehen. Alles positive Ergebnisse. Die gerichtliche Bestätigung meiner offiziellen Namenänderung rundete alles ab, so dass zum Abschluss meiner Transition nur noch das "Finale", die Ga-OP, fehlt. Die sollte etwa zum Ende des dritten oder im vierten Quartal sein. Und genau da liegt der Hase im Pfeffer, Körper und Seele waren das ganze Jahr über auf die angestrebte Schlüssigkeit vorbereitet worden und dann kam im Sommer das "April, April" - du hast nur geträumt, es war doch noch gar keine Zeit (Antragstellung war im Februar), deinen "Fall" zu bearbeiten. Und auch heute habe ich noch immer kein Ergebnis bezüglich der Frage, darf ich oder darf ich nicht diese OP auf Krankenkassenkosten haben. 

Ich komme mit mir bzw. meinem Körper einfach nicht in Einklang. Da helfen auch die bereits erfolgten Angleichungsoperationen nicht. Ich sehe zwar oberhalb der Gürtellinie wie eine Frau aus, lebe akzeptiert als Frau und bin doch immer noch ein Mann, das Entscheidende ist ja nicht "geändert". Das weibliche Körpergefühl will sich so einfach nicht einstellen und der Leidensdruck wird größer und unerträglicher. Das hat mich psychisch aus der Bahn und weit zurückgeworfen, wovon ich mich einfach nicht erholen kann. Was nützt es, wenn der Psychologe nun eine psychische Erschöpfung diagnostiziert hat und ich mich jetzt mit Psychopharmaka vollpumpen darf, die Krankenkasse zahlt fleißig Krankengeld, aber die Ursache wird einfach nicht beseitigt. Derzeit ist der Leidensdruck wieder mal kaum zu ertragen, zumal das Bewusstsein dir sagt, es hätte schon längst anders sein können. 

Aber allen Widrigkeiten und psychischen Problemen zum Trotze, es ist immer wieder wunderbar und erfüllt mich mit einem Glücksgefühl, wenn ich heute über mich nachdenke und resümiere, nun endlich so zu leben, wie sich meine Seele fühlt. Deswegen würde ich auch immer wieder diesen meinen wenn auch sehr steinigen Weg gehen.

 

Eintrag 02.02.10 

68 Wochen Hormonbehandlung, mein Körper verträgt weiterhin alles gut. Nach weit über ein Jahr Hormonbehandlung habe ich in letzter Zeit massiv festgestellt, dass meine Körperbehaarung jetzt merklich langsamer wächst und auch bedeutend weniger geworden ist. Genau so, anfänglich hatte ich das gar nicht so krass empfunden, meine körperliche Leistungskraft ist ebenfalls in den letzten Wochen rapide weniger geworden. Ansonsten geht es mir körperlich sehr gut. Wenn nur nicht immer die psychischen Belastungen wären, das ewige und sehr nervige Warten auf Entscheidungen und der sich mehr und mehr steigernde Leidensdruck, die Diskrepanz zwischen Körper und Seele. In Deutschland ist es leider so, dass sogenannte "Experten" über uns gestellt werden, die dann entscheiden, was angeblich gut und nicht gut für uns ist und im Hintergrund geht doch alles nur um Kommerz, ums Geld. Natürlich ist so eine genitalangleichende OP nicht gerade aus der Portokasse zu bezahlen. Hier geht es aber auch um Menschenschicksale, um eine Erlösung vom Leidensdruck und das können wir Betroffenen selbst doch am Besten einschätzen. Da brauchen wir keine Besserwisser, die sich eh' nicht in uns reinversetzen können und dann einen Leidensdruck in Frage stellen. Angeblich wird alles für das Wohl der Patienten getan, so jedenfalls die Propaganda der Kassen, letztendlich ist es aber alles eine Frage der Kosten und wohl auch des Wollens der Entscheidungsträger. Ich kenne da einige Beispiele von Freundinnen aus meinem Umfeld, wo immer wieder neue Ausflüchte eine OP hinauszögern. 

 

Eintrag 28.02.10 

71 Wochen Hormonbehandlung, weiterhin alles bestens und gute Verträglichkeit.

Meine "Mähne" auf dem Kopf entwickelt sich weiter prächtig. Ich hatte jetzt mal eine Perücke wie noch vor einem halben Jahr spaßeshalber versucht, aber eigenes echtes Haar ist einfach nicht zu toppen. Und wenn ich mich im Spiegel sehe, auch morgens wenn ich noch so zerwühlt am Kopf aussehe und ungeschminkt bin,  auch dank Permanent Make-up ich sehe eine Frau. Doch ihr Lächeln wirkt meist eher erzwungen, sie bedrückt etwas Schwerwiegendes: Diese Frau ist leider immer noch ein Mann, aber ein Mann ist sie auch nicht mehr, da sie heute wie eine Frau aussieht, mit schönen Brüsten und? Ja was nicht, was fehlt? Irgendwie kommt dann wieder diese Wehmut auf, es hätte doch schon alles anders sein können, richtig Frau am ganzen Körper, wenn ja, wenn. Dazu kommt, ich hatte in den letzten Tagen und Wochen viele Kontakte mit Freundinnen, die bereits operiert sind und dann deren Glück zu erfahren, endlich mit sich, mit ihrem Körper einig zu sein, so zu sein wie sie sich fühlen, das lässt mich in tiefe, meist lang anhaltende Lethargie verfallen. 

Obwohl mir der Verstand immer wieder sagt: Sei doch zu frieden, du bekommst so die OP nun bei Dr. Schaff nach einer fortschrittlichen und wohl besseren Methode als bei dem Operateur, den du favorisiert hattest. Viele Nachteile der noch häufig praktizierten und seit über 50 Jahre kaum veränderten Methode sind dadurch nahezu ausgeschlossen. Aber die Seele will das einfach nicht akzeptieren, zu lange warte ich schon auf eine Entscheidung zur Kostenübernahme, auch verursacht durch die vermeidbare monatelange Verzögerung durch meinen Psychologen. Zu viel ist total daneben gegangen, als dass ich heute noch an ein gutes und vor allem schnelles Erreichen des Zieles glaube.

Nicht gerade Freudenstürme löste dann auch ein Schreiben der Krankenkasse aus. Nach über einem Jahr nach Antragstellung auf Kostenübernahme der Ga-OP bei der BKK liegt nun ein weiteres Gutachten vor und der MDK will noch weitere Befunde haben, bevor man zur Entscheidungsfindung kommen kann. Aus dem Untersuchungsbericht soll hervorgehen, wie die Wirkung der gegengeschlechtlichen Hormone auf mein äußeres Genital sind, so die Krankenkasse. Aha! Was ist nun zu sehen? Im Prinzip alles gleich, nur, "Er" steht nicht mehr. Selbst die mich behandelnden Ärzte wunderten sich, wozu dieser Wunsch der Krankenkasse bzw. MDK. Von einer Freundin weiß ich, sie hat ein ähnliches Schreiben von ihrer Krankenkasse erhalten. Diese im Fall einer Transsexualität aus medizinischer Sicht wohl schwer nachvollziehbaren Forderungen sind also beim MDK Berlin/Brandenburg anscheinend die Regel. Was interessiert die Entwicklung der Hoden durch die Hormonbehandlung? Die Dinger werden eh' entfernt.  Aber was hilft's, ich werde auch diesem Wunsch nach einem weiteren Befund entsprechen. Glücklicher Weise habe ich in Berlin sehr schnell einen Termin beim Urologen bekommen. Denn, wenn auch noch relativ viel Zeit bis zum geplanten OP-Termin ist, wie schnell ist sie dann vergangen.

Meine dritte Gesichts-OP, unteres Facelift mit Halsstraffung und dann noch Hautglättung mit Laser, wirft auch langsam ihre Schatten voraus. In 2 Tagen muss ich zur Voruntersuchung. Diese OP wird wieder im ASKLEPIOS-Klinikum in Birkenwerder vorgenommen. Ich habe da zum Ärzteteam um Dr. Ueberreiter und Frau Dr. Tanzella großes Vertrauen. Dies ist aber das erste Mal, dass ich in eine OP mit etwas Bammel gehe, denn hier gibt es doch eklatante Risiken. Beim Abheben der Haut und dann des Bindegewebes darunter zur Hautstraffung könnten auch Gesichtsnerven verletzt werden, was hoffentlich nicht passiert.

Diese OP hatte ich wie die schon vorangegangene erst viel später geplant, sie dann aber ebenfalls vorgezogen, um meine körperliche Angleichung nicht noch weiter hinaus zu zögern. Schließlich wird man ja nicht jünger und irgendwie sehne ich mich auch nach einem nun endlich ruhigen und normalen Leben als Frau.  

 

Eintrag 15.03.10 

73 Wochen Hormonbehandlung, wie gehabt, alles bestens und gute Verträglichkeit.

Vor mehreren Jahren, genau 2003, hatte ich mich von meinem Versicherungsvertreter im wahrsten Sinne des Wortes überreden lassen, eine private Krankentagegeldversicherung abzuschließen. Ich war mir zwar fast sicher, dass ich die nicht irgendwann doch brauchen werde, dachte aber, sicher ist sicher. Genau so dachte ich dabei auch in keiner Weise, dass bei mir womöglich mal eine manifestierte Transsexualität diagnostiziert wird, schon gar nicht, dass ich diesen Weg womöglich auch gehe. Nun ist aber eben genau das eingetreten. 

Auf Grund in diesem Zusammenhang wiederholt psychischer Probleme bin ich mehrfach hintereinander krankgeschrieben worden. Auslöser dieser psychischen Probleme sind die immer wieder neuen Verkomplizierungen bei den Anträgen zu medizinischen Maßnahmen (Ga-OP), bei der glücklicher Weise nun endlich abgeschlossenen Änderung des Namens, aber teilweise auch hervorgerufen durch das gesellschaftliche Umfeld. All das strömt von außen auf einen ein und macht mir mein an sich nun wunderschönes Leben schwer. Dazu kommt dann noch der Leidensdruck des noch immer Im-falschen-Körper-Steckens und es passiert einfach nichts Entscheidendes, nur warten, warten und nochmals warten. Irgendwann ist auch die stärkste Psyche mal am Ende. Wie schon hier irgendwo geschrieben, liegt dadurch bei mir eine psychische Erschöpfung vor, so die Diagnose meines Psychologen. Und deshalb nun auch die schon recht lange Krankschreibung. 

Anscheinend passt das aber jetzt der privaten Krankentagegeldversicherung nicht mehr, weil man ja nun schon ganz schön viel Geld hat zahlen müssen. So hat man festgestellt, dass meine Transsexualität also intensiver therapiert werden müsse. AHA! Transsexualität lässt sich also doch therapieren. Bereits Ende der 1980er Jahre wusste die Medizin zwar, dass Transsexualität NICHT therapierbar ist, die private Versicherung sieht das aber anders, ist demnach schlauer. Oder versucht man nur aus dem Versicherungsfall herauszukommen?!? (Ich denke das passt schon eher.)

Zitat aus dem Versicherungsschreiben::

 

Diese Versicherung hat mir nun einem Termin bei einem Psychiater, den ich außerdem nicht kenne und er mich auch nicht, für morgen besorgt und der soll nun feststellen, wie transsexuell ich bin. Ich soll auch mit frisch gewaschenen Haaren kommen, falls er irgendwelche Messungen vornehmen will.

Genau das ist es, was die ohnehin schon durch den Wechsel der gesamten Lebensumstände belastete Psyche zusätzlich verkraften muss. Und dieser Schwachsinn wäre 100 %ig vermeidbar!

Packen wir es also an und lassen wir auch solch einen Blödsinn über uns ergehen. Bin aber doch gespannt, was der Herr Dr. nach 1,5 Jahren Hormonbehandlung und 2 Angleichungs-OPs weiteres feststellt.

 

Eintrag 28.03.10

2 Tage nach der Gesichts-OP gerade zurück aus der Intensivstation

1 Woche nach der Gesichts-OP,

die Blutergüsse waren nun richtig "aufgeblüht".

75 Wochen Hormonbehandlung.

Nun bin ich wieder ein Jahr älter geworden. Die Krankenkasse hat mir aber leider kein Geschenk gemacht, ich meine die Zusage zur Kostenübernahme zur Ga-OP *grins*. Also weiter warten. 

Dafür war ich kurz vorher in Birkenwerda zu meiner 3. und finalen Gesichts-OP. Die bei den 2 vorangegangenen OPs gemachten Änderungen im Gesicht hatten eigentlich nur vorbereitenden Charakter, obwohl sie schon ein sehr gutes Passing gewährleisteten. 

Die Haut um die Mundpartie, auf dem Bild rechts der gerötete Bereich, wurde mittels Laser "abgehobelt" um die Haut zu glätten. Sieht heute übrigens bei weitem nicht mehr so dramatisch aus und ist schon richtig schick. Dazu kam dann ein unteres Facelift, in dessen Bereich ich heute noch sehr viele und starke Blutergüsse habe. Zur Zeit der Aufnahme rechts war das noch nicht so stark ausgeprägt. Außerdem habe ich den Bereich um die Augen nochmals auffrischen lassen. 

Allerdings hätte mich diese OP beinahe auch mein Leben gekostet. Jede OP ist ja ein Risiko und bei mir hatte sich während der OP eine Medikamenten-Allergie eingestellt. Mein Körper hatte auf ein Schmerzmittel, welches ich bei der vorangegangenen OP bestens vertragen hatte, allergisch reagiert. Nach der OP bin ich aus der Narkose erwacht, das weiß ich noch, und anschließend für ca. 20 Stunden in eine tiefe Bewusstlosigkeit gefallen. Äußerst selten tritt bei diesem Medikament ein allergischer Schock auf und mich hatte nun dieses äußerst seltene Ereignis niedergestreckt. Wie ernst die Lage für mich war, habe ich danach im Gespräch mit den Ärzten erfahren.

Natürlich habe ich mich, als alles überstanden war, auch immer wieder gefragt: Ist es das wert? Lohnt sich dieses Risiko? Ja, es lohnt sich für mich! Ich würde jede OP machen, die meine Verweiblichung verbessert, ohne dabei aber den Blick für die Realität, den Blick dafür, was real und vertretbar machbar ist, zu verschleiern. Das, was die Biologie mir nicht gegeben hatte und worauf ich so lange verzichtet hatte, möchte ich noch so lange und so gut wie möglich auskosten, glücklicher Weise kann ich mir das auch leisten.

Nach 1,5 Wochen nach der OP kann ich so langsam bereits erahnen, wie mein Gesicht mal aussehen wird. Es wird bestimmt schön.

 

Eintrag 16.04.10 

78 Wochen Hormonbehandlung. Etwas hat sich geändert. Seit etwa Anfang März, erst habe ich das gar nicht so registriert, aber nach der OP ist mir das dann viel deutlicher aufgefallen: Ich reagiere heute bei weitem nicht mehr so emotional wie die anderen Monate seit Beginn der Hormonbehandlung. Die Emotionen halten sich wieder in Grenzen und es rollen nicht gleich die Tränen. Warum das nun auf einmal so ist, weiß ich auch nicht.

Nun sind 4 Wochen nach der Gesichts-OP vergangen. Der Heilungsprozess macht gute Fortschritte, Blutergüsse sind nur noch ganz kleine im Bereich der Augen zu sehen. Ein bisschen macht mir nur das untere Lid vom linken Auge Sorgen. Es steht noch immer unnormal weit ab, aber an den Augen habe ich noch immer Schwellungen. Da muss ich mich wohl noch in Geduld üben. Auch sind die Partien um die Ohren noch immer recht taub und geschwollen. Dass die Haut durch das Liften speziell im Bereich der Narben an den Ohren spannt, hat sich fast gelegt. Mein Aussehen normalisiert sich also langsam wieder und die Veränderungen sind jetzt auch bereits gut erkennbar. 

In der Angelegenheit mit der Kostenübernahme für die Ga-OP durch die Krankenkasse ist kaum Nennenswertes passiert. Nur dass ich heute weiß, was für Irrwege meine eingereichten Unterlagen beim MDK zurückgelegt haben. Erst gingen sie an den MDK Brandenburg, der fühlte sich nicht zuständig und hat sie nach Berlin zurückgeschickt und beim MDK Berlin war erst nicht klar, wer die Bearbeitung übernimmt. Mittler Weile ist aber schon eine Teilbearbeitung erfolgt  Seit zwei Monaten schmoren sie nun bei Dr. Pack vom MDK Berlin und warten auf ihre Weiterbearbeitung. Ich weiß auch nicht, warum in Berlin/Brandenburg immer alles elendig lange dauern muss, in anderen Bundesländern geht doch vieles schneller. 

 

Eintrag 18.04.10 

78 Wochen Hormonbehandlung.

Mir liegt nun das ärztliche Gutachten zur Arbeits-/Berufsunfähigkeit, welches die Krankentagegeldversicherung der DEVK (Deutsche Eisenbahnerversicherung Köln) in Auftrag gegeben hat, vor (siehe Eintrag vom 15.03.2010, weiter oben). Das muss ich dem beauftragten Psychiater zu Gute halten, dass er doch sehr einfühlsam und verständnisvoll auf meine Transsexualität eingeht, obwohl das in unserem Gespräch gar nicht so deutlich hervorgetreten ist. Zur derzeitigen Therapie macht er folgende Angaben:

In der abschließenden ärztlichen Stellungnahme kommt der gutachtende Arzt dann zu dem Schluss, Zitat: ".... Vor einer operativen Geschlechtsumwandlung ist nicht mit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zu rechnen. ...." 

Und was macht nun die DEVK? Sie erklärt, dass ihr der Bericht der Nachuntersuchung vorliegt und sie diese ausgewertet hat. Plötzlich will die DEVK nun wissen, ich hätte nur ein befristetes Arbeitsverhältnis gehabt und verlangt eine Bescheinigung für mein ungekündigtes Arbeitsverhältnis. Dann will sie wissen, ob der MDK schon eine Untersuchung bei mir vorgenommen hat und dann verweist sie natürlich wieder auf ihre Forderung nach einer Therapie meiner Transsexualität ähnlich wie in dem Zitat vom 15.03.2010 dargestellt. Selbstverständlich wurden die Zahlungen eingestellt. 

Hier schwingen sich Sachbearbeiter zu Obergurus auf und haben wohl überhaupt keine Ahnung von dieser speziellen Thematik, geschweige denn Erfahrungen. Dies beweist auch ihre sogenannte "Auswertung" des vorliegenden ärztlichen Gutachtens. Man hat sich also neue Gründe gesucht und ausgedacht, um sich vor weiteren Zahlungen zu drücken.

 

Eintrag 27.04.10 

79 Wochen Hormonbehandlung.

Es geschehen doch noch Wunder. Die private Krankentagegeldversicherung der DEVK will bei mir nun eine Ausnahme machen und hat ihre Zahlungen wieder aufgenommen. Ich soll ihr aber doch noch mit betrieblichem Schreiben beweisen, dass ich immer noch einen gültigen Arbeitsvertrag habe. Bei Abschluss des Vertrages vor 7 Jahren hat kein Schwein danach gefragt, man hat ja auch Geld bekommen. Nun sind aber größere Leistungen angefallen und da muss das dann unbedingt belegt werden, sonst könnte ja die Versicherung betrogen werden. Dann werde ich denen den Beweis eben bringen.

Heute bekam ich nun wieder Nachricht von meiner Krankenkasse. Der Inhalt dieser Nachricht war kurz, aber eindeutig. Der MDK hat meine Akte bisher noch nicht weiter bearbeitet. Sie liegt nach wie vor bei Dr. Pack wie schon im Februar 2010. Man hat sich dann noch höflichst entschuldigt, dass man mir hier nicht weiterhelfen kann, der MDK scheint unantastbar. Wie üblich, Menschenschicksale interessieren nicht. Wie schon weiter oben beschrieben, hielten sich auch hier die Emotionen in Grenzen, aber innerlich, wen wundert's, brodelt es. Selbstmordgedanken werden wieder aktuell. Macht das alles noch einen Sinn? 

Was ist der Mensch in den Augen der begutachtenden Ärzte des MDK heute noch wert? Zitat MDK Berlin/Brandenburg: "... Als Dienstleister für die gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen sind wir in unserer medizinisch-fachlichen Bewertung per Gesetz unabhängig. Unsere Gutachterinnen und Gutachter sind bei der Wahrnehmung ihrer sozialmedizinischen Aufgaben nur ihrem Gewissen unterworfen. ..." Wir sind die Götter, uns kann keiner! Was haben diese sogenannten "Ärzte" für ein "sozialmedizinisches" Gewissen? Der Mensch wird degradiert zum seelenlosen Objekt, zu einem Objekt, worüber irgendwie materialistisch zu entscheiden ist.

 

Eintrag 16.05.10 

82 Wochen Hormonbehandlung und weiterhin keine Probleme damit.

In der Bearbeitung meines Antrages auf Kostenübernahme noch immer kein Ergebnis, still ruht der See.

Meine Krankschreibung wegen Depressionen ist ausgelaufen, die höchstmögliche Dauer von 78 Wochen war erreicht und nun läuft noch die Blockfrist von 3 Jahren. Ich gehe also wieder arbeiten, besser gesagt, erst mal nehme ich meinen Resturlaub von 2009. Dann wird es ernst. In meinen alten Betrieb zurück, ist man sich einig, das bringt nichts mehr. Zu groß ist die Ablehnung und Intoleranz der meist männlichen Belegschaft. Es besteht keine Bereitschaft, meine heutige Identität als Frau zu akzeptieren. Speziell einige Vorgesetzte fürchten wohl auch um ihren Schwanz, als wenn sie ihn nun "auch abschneiden" lassen müssten und ihre heteronormativen Vorstellungen dürfen ja nicht gefährdet werden. So heißt es nun für mich, durch eine Umsetzung innerhalb der DBAG auf einen anderen Arbeitsplatz, neu Fußfassen und damit klarkommen. Dies bei meinem derzeitigen psychischen Zustand, ständige Einnahme von Beruhigungsmitteln, trotzdem nächtlicher Schlaf von meist weniger als 4 Stunden, quälender Melancholie und Lethargie. 

Werde ich das auch schaffen? Alpträume quälen mich jetzt noch zusätzlich. Statt ein langsam ruhiger werdendes Leben wird es immer nerviger und Ungewissheiten mehren sich. Ich habe eigentlich schon gar keine Freude mehr am Leben und das derzeitige Maiwetter draußen unterstreicht das auch noch. 

 

Eintrag 18.05.10 (noch 43 Tage bis zur Ga-OP)

In den letzen Stunden haben sich die Ereignisse bezüglich meines OP-Termins bei Dr. Schaff in München nahezu überschlagen. Eine Patientin ist abgesprungen und hat demzufolge ihren Termin zurückgegeben. Ich hatte mich bei der Anmeldung in eine Liste derer eintragen lassen, die bei einem zurückgegebenen Termin sofort einspringen können. Und dieser Fall ist nun eingetreten und ich stehe jetzt in der Liste oben. Ich habe natürlich ohne weiter zu überlegen, den Termin 30.06.2010 als den meinigen akzeptiert. Die OP-Unterlagen dafür gehen mir in den nächsten Tagen zu. Es ist mein Termin und der ist mir sicher, doch noch schneller als ich mir je erträumt hatte. Das Leben hat mich wieder, vorbei die quälenden Gedanken wie schön es wäre wenn. Es wird in kurzer Zeit Wirklichkeit werden! Die größte Entscheidung meines Lebens steht nun vor mir und ich gehe diesen Weg, denn es ist meiner. Ich freue mich wie ein Kind, das etwas schon lange Gewünschtes geschenkt bekommt.

Einziger Wermutstropfen, die Kostenübernahme ist noch immer nicht geklärt. Deshalb habe ich auch heute viel umhertelefoniert und ich konnte hoffentlich die Krankenkasse überzeugen, beim MDK Druck zu machen. Sollte das so nichts bringen werde ich dem MDK wohl energisch auf die Pelle rücken müssen. Jetzt ist Schluss mit lustig! Mal sehen, wenn alle Stränge reißen, werde ich die OP selbst bezahlen. Nur wegen der ungeklärten Bezahlung alles noch mal auf die lange Bank schieben ist nicht, das würde ich mir nie verzeihen. Ich habe hoch gepokert, hoffentlich klappt es. 

 

Eintrag 24.05.10 (noch 37 Tage bis zur Ga-OP)

83 Wochen Hormonbehandlung, weiterhin keine Probleme damit. Und das ist auch gut so, denn in wenigen Wochen wird mein Körper keine eigenen Geschlechtshormone mehr produzieren können. Von dem Zeitpunkt an, an dem die Hoden entfernt sind, bin ich auf die Gabe von Geschlechtshormonen von außen ein Leben lang angewiesen, damit es nicht zu Mangelerscheinungen kommt.

Ja, der Tag, an dem ich sagen kann, es ist wie eine Neugeburt, ich sehe nun auch körperlich wie eine Frau aus, von Kopf bis Fuß, rückt kontinuierlich immer näher und ist schon greifbar nahe. Vieles geht mir dieser Tage angesichts der nun plötzlich sehr nahen Ga-OP durch den Kopf. Waren meine bisherigen 3 Angleichungs-OPs auch nahezu irreversibel, so ist das hier doch ein irgendwie anderes Gefühl. Ich kenne die Gedankengänge anderer, die diese OP bereits hinter sich haben. Auch sie hatten teilweise ähnliche Gedanken. Natürlich will ich diese OP nach wie vor und es wird auch nichts geben, was mich davon abbringt. Ich bin mir wie bisher sicher, dass das der einzige noch gehbare Weg für mich ist. Alle meine Freundinnen haben es auch nicht bereut und wünschen sich keines Falls ein Zurück. Als ich mich für diese OP definitiv entschieden habe, hatte ich die Fragen "Will ich diese im wahrsten Sinne des Wortes tiefeinschneidende Änderung wirklich? Will ich das 100 %ig?", beantwortet. Und trotzdem denkt man darüber wieder nach.

Eigentlich habe ich meinen Identitätswechsel schon längst vollzogen, werde allseits, auch im Behördlichen, als Frau anerkannt und akzeptiert und vor allem auch so empfunden. Es ist irgendwie tiefgreifender. Ich ändere dadurch auch meinen Geschlechtseintrag, bin allseits nun auch wirklich eine Frau, habe kein verstecktes männliches Anhängsel mehr. Es kann ganz einfach nur noch richtig schön werden. Vergessen sind die ganzen psychischen Qualen, das ständige Schreien der Seele nach einem angeglichenen Körper. Auch wenn der MDK derzeit noch große Probleme macht und immer noch nicht aus'm Knick kommt, sich nun auch noch gegängelt fühlt, ich lasse mich, das Ziel ganz dicht vor Augen, nicht mehr entmutigen. Letztendlich kann ich nur jedes Mal wiederholen, ich würde es immer wieder machen. Ich bereue nicht, diesen Weg gegangen zu sein, so schwer wie er auch war.

 

Eintrag 05.06.10 (noch 25 Tage bis zur Ga-OP)

85 Wochen Hormonbehandlung.

Die langersehnte OP rückt immer näher. Das Ziel meiner Transition, endlich meinen Körper auch bestmöglich meinem gefühlten, meinem seelischen Geschlecht anzupassen, ist nun fast erreicht. Einen Wermutstropfen gibt es aber dabei noch. Trotz aller noch so intensiver Bemühungen konnte keine Zusage der Kostenübernahme erreicht werden. Man hat einfach immer noch keine Zeit, über meinen Antrag entsprechend zeitnah zu entscheiden. Vom MDK bekam ich nach langem Intervenieren der Krankenkasse eine Vorladung zu einem "ausführlichen psychiatrischen Beratungsgespräch" am 02.07.2010, 2 Tage nach der geplanten OP! Alle Versuche, einen entsprechend früheren Termin zu bekommen, scheiterten. An Empfehlungen hat es aber dabei nicht gefehlt: 'Ich solle mir einen Operateur suchen, der nicht so ausgelastet ist', oder, 'Ich solle eine Klinik wählen, die zeitnah danach noch Termine frei hat', oder, 'Ich solle den Termin um eine Woche verschieben lassen'. Das hört sich so an, als ob man einen solchen OP-Termin wie eine Tüte Äpfel im Supermarkt bekommen kann. Es zeigt aber auch, dass man weder bei der Krankenkasse, noch beim MDK überhaupt begriffen hat, dass es hier auch um Menschenschicksale geht. Der Mensch zählt hier gar nicht, sondern nur das Geld für so eine OP. Ich habe, glücklicher Weise kann ich das, mit der Praxisklinik von Dr. Schaff vereinbart, dass ich notfalls die Kosten selbst übernehme. Mein Anwalt ist nun auch an dieser "Sache" dran und es wird wohl auch auf ein Gerichtsverfahren hinauslaufen. Ich für meinen Teil lasse mich durch diese Querelen jedenfalls nicht mehr aus der Ruhe bringen. Ich freue mich schon riesig auf diese OP, wo ich dann endlich richtig zur Frau werde. 

 

Eintrag 20.06.10 (noch 10 Tage bis zur Ga-OP)

87 Wochen Hormonbehandlung.

Nur noch wenige Tage bis zur langersehnten Ga-OP. Meine Gefühle sind nach wie vor kaum beschreibbar. Die Gedanken gehen seit einigen Tagen aber immer mehr in Richtung 'Wie ist es danach?'. Trotzdem, zu keiner Zeit stand mein Entschluss zur Diskussion! Psychisch bin ich nun ruhig und ausgeglichen, vergessen sind all die durchlebten seelischen Qualen. Meine Freude auf diese OP ist ungebrochen. Nicht einmal der Affentanz mit Krankenkasse und MDK bringen mich aus der Ruhe. Einzig beunruhigt mich etwas die Frage, wie ist es am Anfang mit der Krankschreibung, da meine Hausärztin in dieser Hinsicht sehr ängstlich ist und zumal ich ja keine Zusage der Krankenkasse zur Kostenübernahme habe. Auch die Voruntersuchung zur OP will sie deshalb privat mit mir abrechnen. Aber das ist in unserem Gesundheitswesen wohl so, warum einfach, wenn alles auch kompliziert geht. Nun, ich weiß diese ganze Angelegenheit bei meinem Anwalt letztendlich in sicheren Händen und die Rechtschutzversicherung bezahlt das. 

Warum soll ich mich jetzt noch heiß machen? In wenigen Tagen fängt für mich ein neuer Lebensabschnitt an, den ich über Jahre herbeigesehnt hatte. Ich blicke freudig in die Zukunft und freue mich darauf noch immer wie ein Kind, das etwas geschenkt bekommt, obwohl ich doch schon seit vielen Monaten daran geschnuppert habe. Es wird eben doch anders, wenn auch der Körper entsprechend richtig angeglichen ist. Nicht mehr die Ängste, sehen aufmerksame Beobachter das noch vorhandene "männliche Etwas" in einer engen Hose?. Oder auch ganz einfach, ich kann dann einen engen Rock tragen und es bildet sich keine Beule. Ich bin endlich frei und richtig Frau....  

 

Eintrag 23.06.10 (noch 7 Tage bis zur Ga-OP)

87 Wochen Hormonbehandlung. 

Es geschehen noch Zeichen und Wunder! Heute Nachmittag hat mich mein Anwalt angerufen und mir von seinem Telefonat mit meiner Krankenkasse berichtet. Man habe sich noch mal zusammengesetzt und über meinen Antrag beraten. Und siehe da, man hat sich dann endlich zur Kostenzusage durchgerungen. Die entsprechenden Unterlagen sind bereits auf dem Postwege zu mir unterwegs. Es geht also doch und das ohne Segen des MDK. Nun ist die Welt vollends wieder in Ordnung. Die OP kann kommen, es ist ja nur noch eine Woche. Die Krankenkasse hat sich nun doch für den einfacheren Weg entschieden, aber trotzdem bleibt ein Wermutstropfen: Es ist traurig, dass erst ein Anwalt mit eingeschaltet werden muss. Was machen nun Betroffene, die diese Möglichkeit der Kosten wegen nicht haben?

 

Eintrag 27.06.10 (noch 3 Tage bis zur Ga-OP)

88 Wochen Hormonbehandlung. 

Nun sind es nur noch 3 Tage bis zur lange sehnsüchtig erwarteten Geschlechtsangleichung. Ich bin wie die ganzen letzten Tage auch, ruhig und ausgeglichen, als wäre das das Normalste von der Welt. Meine Freude und Erwartung darauf ist aber ungebrochen. Ich kann dann endlich voll und ganz so leben, wie ich mich empfinde und fühle als Frau. 

Alle, die von diesem für mich so wichtigen Datum wissen, haben mir viel Glück gewünscht und ihre Achtung vor so viel Mut entgegengebracht, so einen Schritt zu vollziehen. Aber das ist es wieder, sie sehen es aus ihrer Sicht, weil sie nur schwer nachvollziehen können, was diese OP für einen transidenten Menschen bedeutet endlich den Körper der Seele angepasst zu bekommen. Es ist nicht Mut, was mich zu dieser OP treibt, es ist ganz einfach der langersehnte Wunsch, meinen Körper der Seele angepasst zu wissen. Und als ich den Entschluss zu dieser OP gefasst hatte, war mir vollends bewusst, dass für mich ein Leben in der Männerrolle nicht mein Leben sein kann, dieses Unterfangen war ja dann auch ausweglos. Es gab kein vertretbares Weiter mehr..

Ich lebe bereits heute glücklich wie nie zuvor, nur etwas fehlte noch als Krönung, und das will und bekomme ich jetzt ganz.

 

Eintrag 30.06.10 (noch 3 Stunden bis zur Ga-OP)

88 Wochen Hormonbehandlung. 

Nun sind es nur noch wenige Stunden bis zur OP. Ich bin heute als zweite dran, also ab etwa Mittag. Vor mir wird noch ein Transmann operiert.

Mein Abführmittel habe ich bereits gestern Abend bekommen. So extrem schlecht, wir mir meine Freundinnen das beschrieben haben, war es gar nicht, ich fand es jedenfalls nicht so ekelig. Heute Früh hatte ich noch mal die Gelegenheit genutzt, und in Ruhe und entspannt geduscht. Auf Grund der Verbände geht das ja dann wohl die nächsten Tage nicht mehr so einfach. Die Nacht habe ich wie schon vorher ruhig geschlafen. Ein Beruhigungsmittel habe ich nicht genommen. Ich brauchte es auch nicht. Ich freue mich auf das, was da nun in wenigen Stunden kommt. Bald werde ich dann wohl auch das OP-Hemdchen und die obligatorischen Trombosestrümpfe erhalten und mich für die OP fertigmachen müssen. Wohl durch die nun schon Erfahrung mit OPs bin ich nicht aufgeregt. Ich will es ja auch alles so und deshalb muss ich mich nun auch nicht weiter heiß machen.

Ich bin das glücklichste Mädchen von der Welt!

 

-weiter im Teil 2.3....

 

Bei all dem, was ich durchgemacht habe, die Höhen und Tiefen, die psychischen Zwänge, habe ich weiter so wie und was ich bin gelebt als Harumi Michelle, eine Frau. Es gab und ich wollte auch kein Zurück, ich wollte auch keine andere Alternative, weil es die nicht gab. Ich liebe mein neues Leben und das ließ mich auch weiter stark bleiben, trug mich weiter und ich habe keinen Schlussstrich gezogen. Auf meinem Computertisch liegen zwar noch immer ausreichend Tabletten, auf die ich bei der 3. Gesichts-OP mit einem anaphylaktischen Schock reagiert habe, aber die brauch ich nicht mehr!

Glücklich macht mich vor allem, und das ist eigentlich mein ganzer Lebensquell, dass meine Partnerin diese Harumi Michelle halbwegs versucht zu verstehen und auch zu akzeptieren. Sie war ja bis zur Transition ihr "Ehemann" und ist nun ihre "Ehepartnerin"! Öfter schimpft sie aber mit mir, Harumi Michelle kann sehr gut Zicke sein.

 

Wir mussten lernen, dass "SIE" ICH sein wollte, "SIE" die Kraft hatte, sich einzufordern, "SIE" mich miserabel fühlen lassen konnte, wenn ich versuchte, "SIE" zu ignorieren. 

 

Und das ist "SIE", nein, jetzt bin ICH es, ICH bin "SIE" !

 

Einige Bilder hier können auch vergrößert werden, einfach nur anklicken

© H. M. Waßerroth