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Mein Weg durch die Transition

Teil 3 - Letzte OP und Ende der

          Transition

 

Eintrag 03.01.2011

Vor fast 4 Jahren war es das erste Mal, dass Harumi Outdoor war. Heute ist sie nun eine akzeptierte Frau in Seele und Körper. Der Weg war nicht einfach. Die anfänglich guten Erfolge schlugen bald um in nervenaufreibende und mühselig errungene oft nur kleine Fortschritte, teilweise auch Stagnation, begleitet von psychischen Qualen, womöglich nie am Ziel anzukommen. Auch das gerade zu Ende gegangene Jahr begann genau so wenig verheißungsvoll wie das davor endete. Psychisch am Boden, teilweise betäubt mit Beruhigungsmitteln, hatte ich kaum noch die Kraft weiter zu kämpfen. Depressive Episoden wechselten mit Phasen einer gewissen Hochstimmung. Der kleinste Anlass reichte meist, alles zu kippen. 

Dann kam die wundervolle Freundschaft mit Sarah, eine Freundin die mich verstand, zuhörte und offen über alle Probleme mit mir sprach. Selbst belastet mit eigenen Problemen, hatte sie auch in mir eine verständnisvolle Zuhörerin gefunden. Wie ähnlich doch vieles war. Das trieb mich weiter, bis kurz vor Pfingsten die Ereignisse sich fast überschlugen. Meine Ga-OP konnte überraschend auf Ende Juni vorgezogen werden. Mit der Gewissheit, diese OP ist definitiv, war plötzlich die Welt wieder in Ordnung. Das Leben hatte seinen Sinn zurückbekommen. Ich habe mich gefreut wie ein kleines Kind, das etwas geschenkt bekommt, was es sich schon so lange gewünscht hatte.

Mit der OP war mein Ziel erreicht. Aber Zankereien mit Behörden und Institutionen im Zusammenhang mit meiner Transition gab es weiter und werden auch dieses Jahr noch nicht ausbleiben. Trotzdem normalisiert sich mein Leben zusehends immer mehr. Das nächste große Ziel ist die Rückkehr ins Berufsleben.

 

Eintrag 17.01.2011

Der Heilungsprozess macht gute Fortschritte, die Schwellungen gehen merklich zurück und die Narben an den kleinen Labien sehen jetzt auch ganz gut aus. Ich muss da nichts mehr zusätzlich eincremen, so dass ich auf Slipeinlagen größtenteils verzichten kann. Das Bougieren geht ebenfalls einwandfrei, Weite und Tiefe sind unverändert bestens. Einzig und allein die äußere Ästhetik gefällt mir noch nicht so richtig. Da muss ich mich noch in Geduld üben und die weitere Heilung abwarten.

In der nächsten Woche habe ich wieder einen Termin zum Hormonspiegel, der war vor einem viertel Jahr zwar schon richtig gut, aber in allen Werten noch nicht ganz im Normalbereich. Der Körper braucht schon seine Zeit, um sich auf die neuen hormonellen Bedingungen einzustellen.

Ernstliche Zankereien mit Institutionen gab es bisher noch nicht, aber abwarten wie sich die Verhandlungen mit meinem Betrieb bezüglich meines neuen Arbeitsplatzes gestalten.

Ich habe mich nun doch entschlossen und für den 03. März in Birkenwerda bei Dr. Ueberreiter einen OP-Termin gemacht. Nach der Ga-OP sind mir, wie einige Freundinnen prophezeit haben, "Fettpölsterchen" unter dem Bereich wo schon Fett abgesaugt wurde, gewachsen. Dieses Fett soll ebenfalls abgesaugt und nach Aufbereitung an den Mundwinkeln wieder unterspritzt werden. Die Mundwinkel waren ja schon gut, sind aber bei dem Facelift vor einem Jahr leider mit nach unten gezogen worden. An meinen Brüsten soll dann auch gleich noch etwas "modelliert" werden, weil sie noch nicht so richtig schick aussehen. Das hatte mir damals ja schon Dr. Krueger von der Klinik "Sanssouci" in Potsdam erklärt, dass bei einem männlichen Körper der Brustaufbau einer typisch weiblichen Brust, ich meine hier die Ästhetik, je nach Körperbau nicht so einfach ist. Ich fasse also wieder mehrere Sachen zusammen und spare dadurch noch Kosten.    

 

Eintrag 31.01.2011

Meine Nach-OP ist nun 2 Monate her und die Ga-OP 7 Monate. Probleme gab und gibt es nicht, alles ist gut. Nur die Optik braucht noch seine Zeit. Bougieren, Weite und Tiefe wie schon lange unverändert bestens.  

In 1,5 Monaten will ich wieder arbeiten gehen, meinem Betrieb habe ich das schon angekündigt. Sicherlich freut man sich in der Niederlassung nicht sonderlich darauf. Zu groß ist die allgemeine Ablehnung und was soll man da nun mit mir jetzt als Frau machen? Ich lasse mich überraschen.

Ab morgen fängt für mich was Neues an, zu dem ich mich Mitte vergangenen Jahres entschlossen habe; Ich werde mir meine Zähne richten lassen, sie sollen wieder in Reih und Glied stehen. Im Laufe der Jahre haben sie sich verdreht bzw. schief gestellt weil mein Kiefer zu klein ist und nun soll die Zahnstellung bestmöglich geändert werden. So bekomme ich also Brackets geklebt und ich werde mich einige Zeit damit amüsieren müssen. Speziell seit meinem Facelift vor knapp einem Jahr sieht man die Zähne beim Lachen viel besser und wie sie stehen ärgert mich halt heute.

In der vergangenen Woche war ein Fernsehteam von RTL bei uns in der SHG und hat Aufnahmen für die Sendereihe "Mitten im Leben" zum Thema Transidentität gemacht.

 

Eintrag 02.02.2011

'Wer schön sein will, muss leiden!' Diesen Satz habe ich nun mal wieder zum x-ten Mal gehört. Ich will zwar nicht leiden, das hatte ich schon genug, aber ich will schön sein. So habe ich diese Brackets auf den Zähnen in Kauf genommen. Ist zwar nicht gerade angenehm, aber ich komme damit klar. Gut einen Tag habe ich diese Dinger jetzt. Die Innenseite der Unterlippe ist etwas angekratzt und die Spannung an den zu korrigierenden Zähnen ist auch nicht ohne, war auch zu erwarten bei der Fehlstellung der Zähne. Es ist aber gut auszuhalten. Nur das Essen ist noch gewöhnungsbedürftig, weil derzeit die Zähne nicht richtig ineinander passen. Das wird sich aber im Laufe der Zeit geben.

Heute hatte ich mir mal Zeit genommen und auf Travesta in einem Forum gelesen, wo es um die Wahl des Chirurgen für die Ga-OP ging. Wie zu erwarten, wurde wieder von vielen gepostet, was das Zeugt hält, nur um den eigenen Senf dazu zu geben aber ohne das eigentliche Thema konstruktiv zu behandeln. Das ist auch der Grund, weshalb ich mich äußerst selten in Foren "rumtreibe". Jede bzw. jeder sucht sich seinen Operateur selbst und geht in der Regel zu dem, zu dem man Vertrauen gefasst hat, denn das ist das Wichtigste. Und die meisten sind der Meinung, ihr Operateur ist der Beste. Ich kann das auch gut verstehen aber trotzdem ist diese Meinung nach meinem Dafürhalten nur subjektiv. Wir sind alle keine Mediziner und man empfindet das Ergebnis der OP am eigenen Körper als besonders gelungen, wenn es geklappt hat. Ich kenne OP-Ergebnisse, da hat es einmal super geklappt und andermal wieder nicht. Es ist ja schließlich von vielen Faktoren abhängig: Heilungsprozess, eigene Kondition, allgemeine Gesundheit u.v.m., um nur einige zu nennen. Natürlich suchen wir nach Informationen zu den einzelnen Ärzten, gehen womöglich zu dem oder dem zum Vorgespräch, sammeln Empfehlungen, aber letztendlich trifft jeder seine Entscheidung selbst. Ich war zu erst bei Dr. Krueger in der Klinik Sanssouci in Potsdam (operiert zusammen mit dem Schweizer Dr. Daverio), dann war ich bei Prof. Dr. Elling im Oskar-Ziethen-Krankenhaus in Berlin-Lichtenberg und dann bei Dr. Schaff in München, für den ich mich auch entschieden habe, weil ich zu ihm ein echtes Vertrauensverhältnis aufbauen konnte. Er hat sich für die Beratung sehr viel Zeit genommen, alles ganz genau erklärt, hat in mir den Menschen gesehen und nicht die Patientin. Und was auch sehr wichtig war, seine OP-Methode, angelehnt an die Methode von Dr. Suporn in Thailand, hat nicht die Nachteile, die bei der schon seit über 50 Jahren gängigen Penilen Inversion auftreten können. Ich bin mit meinem OP-Ergebnis zufrieden, die "Funktionalität" stimmt. Zur Optik kann ich gerade mal 2 Monate nach der Nach-OP verständlicher Weise noch keine Einschätzung abgeben. Da muss ich die weitere Heilung abwarten.

 

Eintrag 10.02.2011

Heute ist für mich ein denkwürdiges Datum: Heute Abend vor genau 4 Jahren hatte ich mein Coming-out. Solange ist das nun schon wieder her. Damals wusste ich noch längst nicht, wo meine Reise hingeht, wie mein Weg aussehen wird. Nun kann ich resümieren, dass ich eigentlich bis auf ein paar "Kleinigkeiten" fast alles erreicht habe und glücklich und zufrieden mit mir und meinem jetzigen Leben bin. Zurück möchte ich nicht mehr, auf keinen Fall! Mein Traum ist Wirklichkeit geworden, mir geht es gut und das entschädigt für all die ganzen Strapazen. Ich bin eine Frau, sehe nun auch so aus und vor allem, ich werde als Frau akzeptiert. Die ewig Gestrigen in meinem bisherigen Leben ‒ die, die in mir ein schweres Problem sehen ‒ habe ich weit hinter mir gelassen und ich könnt mich immer wieder amüsieren, wie sie krampfhaft ihr Leben versuchen zu meistern, getrieben vom Erwartungsdruck und Selbstdarstellungszwang. Aber gerade diese "Pappnasen" können einem das ohnehin schon komplizierte Leben leider noch schwerer machen.

Viel Neues gibt es im Moment nicht zu berichten. An meine Zahnspange habe ich mich ganz gut gewöhnt, ob wohl es erst gar nicht so damit aussah. 2 Brackets hatte ich mir bald wieder abgebissen, so dass sie neu geklebt werden mussten. Nun passt es aber und kleine Ergebnisse bei der Zahnregulierung sind schon auszumachen. 

   

Eintrag 03.03.2011

Die letzten Tage und Wochen brachten wieder allerhand weniger schöne aber auch schöne Erlebnisse. Ich war vor 1,5 Wochen in meinem Betrieb. Durch die Fusion mit anderen Betrieben aus der Baubranche der Eisenbahn hat sich einiges verändert und die Ablehnung mir gegenüber wegen meiner nun vollkommen vollzogenen Identitätsänderung war nahezu allgegenwärtig. Mal sehen wie sich das alles entwickelt, denn am 15.03. endet meine Krankschreibung und ich kehre in diesen Betrieb zurück.

Am Nachmittag des gleichen Tages hatte ich dann in Magdeburg ein sehr nettes Treffen mit einer jungen Frau. Sie ist angehende Logopädin und hatte mich über diese Homepage kontaktiert, weil sie eine Arbeit über Stimmentherapie bei Transsexuellen nach Ga-OP schreiben will. Es war ein sehr informatives Gespräch, was mich nun im Nachhinein animiert hat, endlich doch eine schon seit längerem ins Auge gefasste Stimmtherapie zu machen, denn öfter werde ich am Telefon immer noch mit „Herr“ angesprochen. Dass eine Stimmentherapie – keine OP! – Wunder vollbringen kann, hat eine Freundin bewiesen.

Am letzten Wochenende habe ich mitgeholfen, in Berlin die Wohnung meiner besten Freundin aufzulösen. Sie hat hoffentlich ihr Glück gefunden und ist jetzt endgültig in die Nähe von München gezogen. Unsere Wege hatten sich hier getroffen, verliefen eine Weile nahezu parallel und haben sich nun wieder entfernt. Das ist der Lauf der Zeit, jede hat halt ihren ganz individuellen Weg zu gehen. Nun habe ich meine Freundin zwar nicht verloren, aber durch die räumliche Trennung werden wir uns wahrscheinlich kaum noch sehen. Ich habe das sehr bedauert, war sie doch fast wie eine Schwester für mich und es ist somit auch emotional nicht ganz spurlos an mir vorbeigegangen.   

Heute hatte ich meine 6. OP in fast auf den Tag genau 2 Jahren. Es wurden durchweg Korrekturen bzw. noch gewünschte Perfektionierungen zur Verweiblichung meines Körpers durchgeführt. Alles hat perfekt geklappt und ich bin mit dem Ergebnis und natürlich auch mit mir zufrieden. Aber ich habe auch gemerkt, dass mein Körper nach all diesen Operationen unbedingt eine längere Ruhepause braucht. Der Kreislauf hat zwar auch diesmal nicht schlapp gemacht, aber er war an der Leistungsgrenze. Weitere Operationen sind nicht geplant und hoffentlich auch nicht mehr nötig.

 

Eintrag 09.03.2011

fertig zur Entlassung

Aus der Klinik entlassen wurde ich nach meiner OP vom 03.03. wie geplant bereits am nächsten Tag. Postoperativ verläuft alles normal. Anfangs hatten sich die Hämatome zwar noch verstärkt, klingen jetzt aber zusehends wieder ab. Auch die Schwellungen lassen immer mehr nach. Meine Brüste haben nun nach der Vergrößerung auf je 665 ml die richtigen Proportionen zu meinem Körper. Das hat sogar meine Partnerin gesagt, obwohl sie gegen diese Vergrößerung war. Ich fühle mich damit auch viel wohler. Konditionsmäßig habe ich die vergangenen Tage allerdings einiges zu knabbern gehabt. Die vergangene Zeit seit meiner letzten OP vor 3 Monaten war recht kurz und das war zu merken. Der Körper hatte an Leistungskraft nicht all zu viel zum Zusetzen gehabt. Glücklicher Weise waren nur wenige Termine zu absolvieren und ich konnte mich ausruhen. 

 

Eintrag 19.03.2011

Meine lange Krankschreibung ist nun zu Ende. Seit 3 Tagen zähle ich wieder zur werktätigen Bevölkerung. Ich nehme aber erst mal noch meinen Resturlaub vom vergangenen Jahr weg, sonst verfällt er und bekanntlich hat ja keiner Geld zu verschenken. Erst recht nicht, wenn man seit Monaten keine Bezüge mehr bekommen hat. Wie es nun beruflich mit mir weitergeht, steht immer noch in den Sternen. Mein Betrieb tut sich da mehr als schwer. Mit der Umsetzung in die Bahn-AG wird wohl nicht funktionieren, bzw. man will davon nichts wissen. So heißt es, weiter warten was wird.

Am 01. April habe ich noch mal einen Termin bei Dr. Schaff in München zur Kontrolle. Er soll schauen, ob auch alles in Ordnung und gut verheilt ist. Beschwerden habe ich nicht, nur die Optik, besonders eine Narbe gefällt mir noch nicht so richtig. Und ich werde meine beste Freundin treffen, darauf freue ich mich schon riesig. Leider wird die Zeit wieder viel zu kurz sein.

 

Eintrag 17.04.2011

Es ist nun schon wieder fast einen Monat her, dass ich hier den letzten Eintrag geschrieben habe.

Die letzte Märzhälfte war ausgefüllt mit vielen Terminen, da blieb kaum Zeit für andere Dinge. Am 01. April war ich dann in München. Dr. Schaff war mit dem Heilungsprozess sehr zufrieden. Dass die Narben noch nicht zur vollsten Zufriedenheit aussehen, ist normal. Das dauert hier genau so seine Zeit, wie vor einem Jahr im Gesicht nach meinem Facelift. Sollte Widererwarten die eine Narbe sich in der Verfärbung (hervorgerufen durch die damalige Nachblutung) nicht bessern, könnte man gegen Ende des Jahres noch mal über eine eventuelle Narbenkorrektur sprechen.

Seit 04. April gehe ich nun wieder in meinem alten Betrieb zur Arbeit. Dass ich nicht mehr zur Montage fahre, war ja schon vor knapp 2 Jahren klar. Eine Arbeit in der Werkstatt im Lager schied als Ergebnis der Erfahrung von vor 1 ¾ Jahren auf Grund der Inakzeptanz durch die dortige Belegschaft ebenfalls aus. Nun hat man mir eine Arbeitsstelle in der Einsatzleitung für den deutschlandweiten Einsatz unserer Maschinen und Loks angeboten. Ich habe dem gern zugestimmt. Die 2-wöchige Einarbeitungszeit ist jetzt vorbei und ich kann sagen, die Akzeptanz in der gesamten Büroetage ist relativ gut, bzw. man gibt sich zumindest große Mühe. Sicherlich spielen auch Berührungsängste eine Rolle und die ewig gestrigen werden es wohl nie akzeptieren. Mit den Mitarbeitern, mit denen ich direkt zusammenarbeite, komme ich gut klar. Und auf die Leute, die ein riesen Problem mit meiner heutigen Identität haben, bin ich nicht angewiesen. Wenn sie etwas von mir wollen, müssen sie zu mir kommen bzw. mit mir kommunizieren und nicht ich mit ihnen. Ob ihnen das nun passt oder nicht, das ist mir so was von egal.

Ich bin heute unbeschreiblich glücklich. Auch der letzte Schritt, die Rückkehr ins Berufsleben, hat doch recht gut geklappt. Das für schier unmöglich Geglaubte ist Wirklichkeit geworden. Ich bin von Harald zu Harumi Michelle geworden, lebe das, was ich schon immer gefühlt habe und habe den Identitätswechsel in gerade mal gut 2 ½ Jahren komplett erfolgreich vollzogen!   

 

Eintrag 19.05.2011

Schon wieder ist ein Monat um und sicherlich warten einige längst auf einen neuen Eintrag hier, wie mein Leben weiter gegangen ist. Es hat sich auch einiges neu ergeben. Kaum habe ich an meinem neuen Arbeitsplatz Fuß gefasst, komme super mit den Aufgaben klar und vor allem, die Arbeit macht mir sehr viel Spaß, da ist auch schon wieder Schluss. Ich werde vorübergehend versetzt. Ab nächster Woche soll ich bis Ende August als Disponentin in einer Zweigstelle in Duisburg in der Maschinenplanung arbeiten. Also wieder ein neues Arbeitsumfeld, neue Mitarbeiter und dazu noch ein Pendeln zwischen Duisburg und Brandenburg ‒ zusätzlicher Stress und Hektik. Auch in Duisburg dürften die Mitarbeiter von meiner männlichen Vergangenheit wissen. Nichts mit einem endlich ruhigerem Leben, einem schon lange auch von meiner Partnerin ersehntem Leben ohne ständiges Hin und Her, ohne die fortwährende Ungewissheit, wie geht es weiter. Ich hoffe nur, ich bekomme keine Probleme mit der Kondition, physisch wie auch psychisch. Die Belastungen der ganzen Operationen stecken mir immer noch ganz schön in den Knochen. Psychisch, wenn es auch nicht so sehr offensichtlich ist, belastet mich das alles innerlich. Meine allgemeine Leistungskraft ist längst nicht mehr wie vor der Transition.   

 

Eintrag 08.06.2011

Für die Statistik: 964 Tage Hormonbehandlung, 343 Tage seit der Genital-OP. Alles ist super, keine Probleme mit den Hormonen, Tiefe und Weite meiner Neovagina unverändert wie nach der OP. Bougieren seit einiger Zeit nur noch 2, manchmal 1 mal die Woche. Bei 1 mal ist es dann allerdings nicht gerade angenehm, aber doch problemlos ertragbar. Nach mehrmaligem Herausziehen und wieder Hineindrücken ist alles wieder beim Alten wie nach der OP.

Meine Arbeit mit der Versetzung nun nach Duisburg habe ich eine Woche absolviert. Es sind dort sehr nette Kolleginnen und Kollegen. Ich wurde auch problemloser aufgenommen als an meiner bisherigen Arbeitsstätte. Hier kennt man mich life nur als Frau, auch wenn man über meine männliche Vergangenheit informiert ist, aber eventuelle Probleme gab es nicht. Diese Leute dort haben wohl eher weniger Probleme mit "anderen" Menschen als in Sachsen Anhalt.

Letzte Woche war dann Urlaub. Am 30.05. hatte ich ja mit meiner Partnerin Silberhochzeit und wir planten für diese Zeit eine Reise durch Südengland. Es war eine wunderschöne Reise und wir haben viel über Land, Leute und Kultur kennengelernt. Ich konnte dabei gleich meine Englischkenntnisse gut auffrischen.

Von meinem Identitätswechsel wussten anfänglich nur wenige. Auch als das dann wohl reihum bekannt war, gab es keine offensichtlichen Probleme. Ein Beispiel mehr, dass es möglich ist.

Diese Reise hatte wieder bestätigt, dass ich den für mich einzig richtigen Weg gegangen bin. Ich habe mich so sauwohl gefühlt, ICH war das, was ICH bin! Immer wieder glaubte ich, ich träume immer noch, aber alles war pure Realität.

 

Eintrag 24.07.2011

Mein Urlaub Anfang Juni ist schon lange Vergangenheit und der Berufsalltag hat mich seit Wochen wieder. Die Arbeit in Duisburg macht Spaß und hält auch so einiges an Abwechslung bereit. Von allen Menschen, die mir hier bisher begegnet sind, werde bzw. wurde ich geachtet, ob sie nun meine Vergangenheit kennen oder nicht. Sogar die ausländischen Arbeitskollegen scheinen ‒ zumindest äußerlich ‒ keine Probleme mit mir zu haben. Ich werde respektiert und anerkannt, öfter aber auch nach dem Warum?, Wie ist das? oder Weshalb? gefragt. Und dann beantworte ich natürlich die Fragen. Nicht wenige sagten mir, dass sie sich freuen, auch mal direktere Fragen zu der Thematik Transidentität, was doch so unbekannt ist, ehrlich beantwortet bekommen zu haben und dann auch noch von einem direkt betroffenen Menschen. Meine Offenheit dazu kommt an, ist aber auch immer wieder eine Gratwanderung, den Fragenden nicht zu sehr zu fordern, denn nicht selten muss er durch meine Antworten alte Klischees, aber oft auch Dogmen über Bord werfen. Wieder ein Beispiel dafür, dass Verständnis und Toleranz für anders geprägte Menschen als die breite Masse gar nicht so schwer sind. Wir wollen doch auch nur so "normal" leben wie alle anderen ‒ und in Duisburg geht das sehr gut.

 

Eintrag 24.07.2011

So langsam geht nun der Monat September zu Ende und ich bin immer noch in Duisburg. Vor der befristeten Versetzung hatte ich mich gefragt, ob meine Zustimmung richtig war oder ich doch hätte ablehnen sollen. Aber die Entscheidung war richtig. Ich habe viele wunderbare Menschen kennengelernt, so dass ich auch gern einer Verlängerung zugesagt habe. Außerdem habe ich festgestellt, dass es gar nicht so ist, wie viele felsenfest behaupten; 'Im Westen herrscht ein raues Arbeitsklima.' Ich kann das nicht bestätigen. Im Gegenteil, das Arbeitsklima in Duisburg ist viel lockerer und menschlicher als im Osten. Gearbeitet wird genau so, der Büroalltag ist nicht weniger stressig. Doch im Osten kommt es mir eher so vor, als wenn jeder unter permanentem Erfolgsdruck steht, als wenn jeder hinter sich eine Keule wähnt, die eventuell zuschlägt, wenn er falsch "funktioniert". Menschlichkeit ist vielerorts auf der Strecke geblieben. Hier können wir noch viel von den "bösen Wessis" lernen. (Das sind meine ganz persönlichen Erfahrungen und Empfindungen, die muss aber jeder für sich selbst machen!)

Bis zur zweiten Oktoberwoche bin ich noch in Duisburg und der Abschied wird mir bestimmt sehr sehr schwer fallen. Viele haben mich gefragt, ob ich nicht ganz dorthin wechseln möchte, aber es gibt wichtige private Gründe, die einem Wechsel des Umfeldes entgegen stehen. So werde ich im Betrieb also wieder in die bisherige Niederlassung bei Magdeburg zurückkehren, obwohl vor ein paar Wochen ein weiterer meinen Identitätswechsel betreffender menschenverachtender Zwischenfall durch Kollegen von dort aufgetreten ist. Irgendwie muss die Betriebsleitung wohl davon aber Wind bekommen und ein Donnerwetter losgelassen haben, denn seit kurz danach geht man mir gegenüber auf Kuschelkurs. Und das ist schon ungewöhnlich, weil dieser Kuschelkurs gerade von Kollegen kommt, die mich auf Grund der Ungeheuerlichkeit nicht "Mann" sein zu wollen, strikt abgelehnt und gemieden haben. Anders kann ich mir das nicht vorstellen. Trotzdem überlege ich ernstlich, ob dieser Betrieb für mich noch eine Zukunft bedeuten kann. Denn was vor kurzem gelaufen ist, war mehr als nur unter der Gürtellinie. Wenn ich das auch äußerlich abgetan habe, als wenn dieser Vorfall mich nicht sonderlich anhebt, hat mich das psychisch doch belastet und das haben meine Kollegen in Duisburg wohl mitbekommen. 

 

Eintrag 17.10.2011

Nun wieder etwas Statistik: 1095 Tage, also auf den Tag genau 3 Jahre seit Beginn der Hormonbehandlung, 474 Tage seit der Genital-OP und 1155 Tage leben im sogenannten "Zielgeschlecht". Ja, so lange ist das alles schon wieder her und trotzdem habe ich bis heute nicht den Entschluss dazu bereut. Das OP-Ergebnis, Weite und Tiefe ist unverändert gut. Die Narbenheilung hat sich sogar im Laufe der Monate noch verbessert. Wenn man nicht weiß, wo die Narben sind, sind sie kaum noch auszumachen.

Seit vergangenen Mittwoch (12.10.) liegt die Zeit in Duisburg nun hinter mir. Es war ein sehr schwerer Abschied ‒ von den Kolleginnen und Kollegen genauso wie vom Hotelteam. Das Haus Scheuten war für fast 5 Monate meine zweite Wohnung gewesen und ich habe mich dort wohlgefühlt. Auch mein Pluto, der fast immer mit dabei war, wurde jedes Mal liebevoll nach dem Zimmeraufräumen in Position gesetzt.

Jetzt (sei Donnerstag) bin ich wieder in der Heimatniederlassung meines Betriebes. Man bemüht sich, mich so normal wie möglich als Frau zu behandeln ‒ aber was ist daran so schwer ‒ man ist nett und höflich zu mir. Doch vielfach wirkt das irgendwie ungelenk und steif, und das kenne ich von Duisburg gar nicht. Mal sehen wie sich alles weiterentwickelt.

 

Eintrag 13.11.2011

Urlaub, Sonne, Meer – als Urlaubsziel haben wir uns diesmal die Seychellen im Indischen Ozean ausgesucht. Mein erster Badeurlaub nach all den Operationen, alles ist nun richtig ausgeheilt. Ich kann mich völlig frei bewegen. Alles ist in Ordnung und sieht so aus, wie es aussehen soll. Die Narben werden immer unscheinbarer und sind vielfach nur noch schwer auszumachen. Meine Brüste fühlen sich jetzt schön weich an, nichts ist mehr geschwollen oder wirkt fest oder verspannt. Ob nun am Pool, am Meer oder anderswo, ich muss nicht mehr befürchten, dass etwas verrutscht oder zu sehen ist, was nicht zu sehen sein soll. Keiner schaut mehr argwöhnisch. Es ist einfach wunderbar, nun die Normalität zu genießen.

Auf diesen Urlaub habe ich mich schon lange gefreut, endlich ausspannen und genießen. Die Zeit und Muße nutzen, um nachzudenken, zu sinnieren, die Seele baumeln lassen. Zwar ist Haralds Zeit und dann die Transition schon lange vorbei, schwingt auch kaum noch nach, aber gerade in den letzten Wochen erreichten mich viele Mails, angeregt durch diese Homepage, mit Fragen zu Operationen MzF und allem Drumherum. Da ist vieles gedanklich wieder hochgekommen bzw. ich habe mich wieder an viele Einzelheiten genauer erinnert. Und genau das hat auch etwas anderes bewirkt. Ich habe mir die Frage nach der Richtigkeit meiner Entscheidung, diesen Weg bis zum Schluss zu gehen noch mal gestellt und die Antwort war doch wieder die gleiche. Ich bin nun mal eine Frau – bin im falschen Körper zur Welt gekommen. Die Frage, was wäre, wenn ich wie früher weitergelebt hätte, lässt sich nicht mehr beantworten. Die Antwort will ich auch nicht wissen. Ich bin glücklich mit meinem heutigen Leben, genieße jede Minute davon, und das ist entscheidend. Sicherlich habe ich das hier schon ein paar Mal geschrieben, aber ich kann das nur immer wiederholen und allen, die diesen meist steinigen Weg auch gehen wollen/müssen, anspornen, ebenfalls nicht aufzugeben. Es lohnt sich allemal.

Wie viele, auch wenn man in die Zeitung schaut, noch längst nicht in meinem Alter, haben diese Welt schon wieder verlassen müssen, ohne womöglich richtig gelebt zu haben, oder über die Suche nach dem wahren Sein nicht hinausgekommen sind. Aber auch heimtückische Krankheiten können einem zum Verhängnis werden, wie dem meine Transition begleitenden Psychiater. Er war nur 8 Tage älter als ich und hat vor einigen Wochen den Kampf gegen den Krebs verloren. Wenn ich es ihm auch hart ankreidete, dass ich meinen ersten geplanten Termin zur Ga-OP in den Wind schreiben konnte, war die Betreuung durch ihn für mich nur von Vorteil. In der Beliebtheitsskala der Patienten hat er Höchstnoten erhalten und für die Transition war er einer der kompetentesten Psychiater überhaupt, denn er wusste, was es heißt, im falschen Körper geboren zu werden. Kam er doch selbst als Mädchen zur Welt und hatte dann in den 1990er Jahren den Wechsel FzM vollzogen.  

Ich habe mich recht spät für den Wechsel MzF entschlossen und weiß nicht, wie viel Zeit mir noch bleibt. Doch will ich noch so viel wie möglich von dem schönen Leben genießen – und das werde ich auch. 

 

Eintrag 01.01.2012

Ein Jahr ist wieder um, also Zeit für einen kurzen Rückblick. Beginnen wir mit der Statistik: 1231 Tage volle Weiblichkeit, 1171 Tage seit Beginn der Hormonbehandlung, 550 Tage Post-OP. Ja, wie die Zeit vergeht!

Es gibt nach wie vor keine Probleme oder Verschlechterungen beim Ergebnis der OP. Die Nach-OP liegt ja nun auch schon über ein Jahr zurück. Die Narben sind kaum noch auszumachen, alles ist super und bedarf keiner Korrektur mehr.

Auch die letzte OP Anfang März 2011, bei der am Körper und Gesicht nochmals einiges angeglichen bzw. verbessert wurde, ist gut ausgeheilt. 14 Tage später, also Mitte März, endete meine lange Krankschreibung und ich gehe seitdem wieder in meinem alten Betrieb arbeiten. Ich bekam einen neuen Arbeitsplatz, weil eine Frau an dem Platz wo Harald damals gearbeitet hatte, nicht arbeiten darf. Dort gab es dann aber gleich erst mal gehörig Krach: 'Die Transe nimmt mir meinen Arbeitsplatz weg!' Gegen Ende Mai wurde ich für anfangs 3 Monate vorübergehend nach Duisburg versetzt. Letztendlich sind fast 5 Monate daraus geworden. Da habe ich viele wundervolle Menschen kennengelernt und der Abschied fiel mir dementsprechend auch sehr schwer. Jetzt bin ich in der Maschineneinsatzplanung meiner Stammniederlassung. Mein Aufgabenfeld ist zwar nicht mehr so weit gefasst wie in Duisburg, dafür sind aber weit mehr Maschinen und Baustellen zu planen. Die Arbeitsaufgabe ist ähnlich wie in Duisburg aber bei rein menschlicher Betrachtungsweise liegen zwischen Duisburg und meiner Stammniederlassung Welten. Ähnliche 'Vorkommnisse' wie im Juli in Duisburg durch Kollegen aus der Stammniederlassung sind zwar nicht an der Tagesordnung treten aber doch sehr häufig auf und nehmen bisweilen ernstlichen Mobbing-Charakter an. Wenn ich mir das auch möglichst nicht anmerken lasse, es belastet mich meist recht schwer. Hin und wider gehen dann im Nachhinein auch deshalb mal die Emotionen mit mir durch. Natürlich sind auch hier liebe Kolleginnen und Kollegen, zu denen ich ein gleich gutes Verhältnis wie zu all meinen Duisburger Kollegen habe! Das darf ich der Gerechtigkeit halber nicht unerwähnt lassen. Trotzdem ist das Gesamtklima durch ein paar ewig Gestrige arg belastet. Ich könnt mich allerdings auch immer wieder amüsieren, wenn sie keine Gelegenheit auslassen zu berichten, wie gut sie sind und was sie alles können. Nur den primitivsten zwischenmenschlichen Anstand bekommen sie durch ihre Verbohrtheit einfach nicht auf die Reihe. Eigentlich müsste ich darüber stehen, aber es belastet eben doch sehr. Es wäre vielleicht besser, den Betrieb zu wechseln. Nach Duisburg könnte ich sofort, man würde mich da auch gern wieder aufnehmen, aber das scheidet ja bekanntlich aus privaten Gründen aus. Aber die derzeitigen Verhältnisse sind auch keine ideale Lösung.

 

Eintrag 09.04.2012

Die Zeit vergeht wie im Fluge, schon wieder sind 3 Monate vergangen, in der ich meinen Erlebnisbericht nicht weiter geschrieben habe. Dabei hat es an Erlebnissen nicht gefehlt. Nun will ich hier aber mal weiter schreiben.

Gesundheitlich gibt es eigentlich nichts besonderes zu vermelden. Alles ist gut, nur dass ich gerade einen Harnwegsinfekt überstanden habe. War nicht sonderlich wild, 5 Tage Antibiotika und es war überstanden. Durch die Anatomie der Frau besteht dazu nun natürlich auch bei mir die Gefahr, eher als ein Mann daran zu erkranken.  

In der zweiten Januarhälfte wurden für mich die Verhältnisse in der Niederlassung meines Betriebes, in der ich jetzt wieder bin, derart belastend, so dass mir meine Psychologin für einige Tage eine Ruhepause verordnete ohne aber selbst in den Teufelskreis von Intoleranz und Mobbing eingreifen zu können. Seit dem hangele ich mich eigentlich eher nur noch von längerer Freiphase (Urlaub, freie Tage, Vertretung an anderer Stelle) zu Freiphase. Eine Freundin hat mir jetzt einen Rat gegeben, wie ich diesem Drama vielleicht entkommen könnte. In meiner Abteilung wird sich jedenfalls nichts ändern. Sie hatten 6 Monate Zeit dazu, seit ich wieder in dieser Abteilung zurück bin, getan hat sich nichts. Man hat mir ja auch hier schon mal vor knapp 3 Jahren beim ersten Wiedereinstiegsversuch gesagt, dass ich auf die ewig Gestrigen natürlich Rücksicht nehmen müsse, da ja schließlich "ich" anders als die anderen bin.

Mittlerweile wird jedenfalls jeder Arbeitstag für mich immer mehr zum Horrortrip und mein Körper wehrt sich zunehmend durch dadurch auftretende seelische Probleme.

Ende Februar war es dann endlich soweit, mein nächster Urlaub stand an. Diesmal habe ich mit meiner Partnerin eine Rundreise durch Israel gemacht, ähnlich wie vor einem Jahr durch Südengland. Wir haben hier wieder sehr viel über Land, Leute und vor allem Kultur kennen gelernt. Israel ist ein sehr buntes und schönes Land, von scheinbarer Einöde der Wüste, über fruchtbare Gegenden bis zu den zu unserer Reisezeit schneebedeckten Golanhöhen. Wir konnten erleben, wie die so verschiedenen Kulturen halbwegs friedlich miteinander auskommen (zu dieser Zeit). Aber wir haben auch erfahren, wie kostbar dieses friedliche Nebeneinander ist. Überall Maßnahmen zur Wahrung der Sicherheit, weil immer wieder irgendeine religiöse Strömung der Meinung ist, nur die Ihre sei die einzig gültige und richtige. (Politische oder religiöse Ansichten und Wertungen lasse ich hier bewusst außen vor, weil das nicht Inhalt dieser HP sein soll!)

Wir waren unter anderem in der Negev-Wüste, haben im Toten Meer gebadet, die heiligen Städte Jerusalem und Bethlehem besucht, waren am See Genezareth und an einer der Jordan-Quellen, um nur einige Highlights zu nennen.

Im März habe ich dann was ganz Verrücktes gemacht. Ich habe mir eine Lok gekauft. Ja, richtig gelesen, eine Lok. Es ist aber keine Lok in der Modellbahn-Spurweite H0 oder so, sondern eine große, eine Rangierlok und sie ist auch noch betriebsbereit, kann also auf richtigen großen Eisenbahngleisen fahren. Das soll sie dann auch auf dem Bahnhof Ketzin. Mit der kleinen Eisenbahn beim Modellbahnverein darf ich ja nicht mehr "spielen", "spiele" ich also nun mit der großen Eisenbahn. Ins besondere der stellv. Vorsitzende des Fördervereins "AG OHKB e.V." hatte mich schon im vergangenen Jahr mehrmals angestubst, ich solle doch mal auf dem Bahnhof Ketzin vorbeikommen, vielleicht könnte ich mich ja für eine Mitarbeit begeistern. Man will den Bahnhof Ketzin aus seinem Dornröschenschlaf wieder erwecken. Eigentlich hatte ich das Thema 'Mitarbeit in einem Verein' mit meinem Ausschluss aus dem Modellbahnverein ad acta gelegt, aber da konnte ich mich nicht drücken, wollte ich auch nicht (grins). Ganz früher hatte ich mir schon immer so etwas in der Art erträumt. Nun ist auch das, ein Bahnhof und dann noch eine eigene Lok, Wirklichkeit geworden.

In knapp zwei Wochen kommt die Lok dann von Altenbeken, da war ihre letzte Heimat, nach Ketzin. 

 

Eintrag 19.07.2012

Nun haben wir schon wieder Mitte Juli. Die Zeit vergeht so schnell.

Im Prinzip gibt es nichts sonderlich Neues zu berichten. An meiner Arbeitsstelle ist die Situation unverändert. Das hat nun dazu geführt, dass mir meine Ärztin wieder eine Ruhepause verordnet hat, damit sich meine Psyche erst mal wieder beruhigt. Oft hatte ich wieder mehrfach Beruhigungstabletten nehmen müssen, damit ich Nachts einigermaßen schlafen konnte und die eigene innere Unruhe bekämpft wird. Die DBAG hat eigene Psychologen für die Betreuung ihrer Mitarbeiter, da habe ich mich jetzt außerdem bemüht, einen Termin zu bekommen. Leider sind auch hier die Wartezeiten recht lang. Ich verspreche mir einiges davon, speziell in Richtung eines geeigneteren Arbeitsumfeldes. Wir werden sehen, ob das was bringt.

Ansonsten genieße ich das Frausein, es ist nach wie vor wunderschön. Meine GaOP liegt jetzt schon über zwei Jahre zurück und alles ist weiterhin o.k.. Die anderen Operationen waren ebenfalls nicht umsonst gewesen. Meine Einstellung bleibt unverändert, das war die einzig richtige Entscheidung.

Früher war das Ausgehen als Frau ein Highlight, heute ist es für mich Alltag, Normalität. Ich werde als Frau wahrgenommen. Hin und wider schauen zwar schon mal noch einige argwöhnisch. Das geschieht aber nur noch selten. Die Leute sind sich dann aber doch nicht sicher und akzeptieren die Frau, die sie sehen. Einzig und allein die Stimme ist eventuell verräterisch. Da muss ich noch dran arbeiten.

Privat gibt es auch nichts zu meckern, es ist einfach super, aber eben die psychischen Probleme der Arbeit hinterlassen auch hier ihre Spuren. Das Wochenende reicht öfter kaum, um sich wieder zu fangen. Ein Glück, dass da jetzt noch der Bahnhof Ketzin ist, auf dem ich dann, meistens Samstags, einige Stunden bin und gute Ablenkung finde. So einen Bahnhof aus dem Dornröschenschlaf wieder aufzuwecken ist schon ein Haufen Arbeit und halbwegs nutzbar soll er ja dann auch bleiben. Na, und da ist auch noch mein großes "Spielzeug"  ̶  die Lok.

 

Eintrag 25.12.2012

Es ist Weihnachten, das Fest der Freude ‒ und aber auch der Besinnung, ein neues Jahr steht ebenfalls vor der Tür. Die letzten Wochen, ja sogar Monate habe ich viel nachgedacht, viele Erinnerungen aus meinem bisherigen Leben habe ich mir ins Gedächtnis zurück gerufen. Man vergisst manchmal so schnell! Meine Entscheidung zu meinem Identitätswechsel stand dabei außer Diskussion. Ich habe es nach wie vor nicht bereut. Mir ging es einzig und allein darum, möglichst nichts zu vergessen, mich an das Gewesene zu erinnern. Auch habe ich überlegt, ob ich weiterhin diese Homepage pflegen soll oder einen Schlussstrich ziehe, da meine Zeit dafür recht knapp bemessen ist und so viel hier berichtenswertes passiert nun im normalen Lebensablauf ja auch nicht mehr. Ich habe darüber mit Freunden und Bekannten gesprochen und viele haben mich ermuntert, hier weiter zu schreiben. Die Besucherzahlen dieser HP sprechen für sich, dass weiterhin Interesse besteht. ‒ Also mache ich weiter, es werden aber die Ergänzungen bzw. Änderungen kaum noch kurz hintereinander erfolgen. (So wie schon seit einiger Zeit.)

Nun etwas für die Statistik: 1530 Tage (ca. 4,2 Jahre) Hormonbehandlung, 909 Tage (ca. 2,5 Jahre) seit der Genital-OP. Alles ist weiter super, keine Probleme mit den Hormonen, Neovagina unverändert wie nach der OP. Bougieren seit mehreren Monaten nur noch 1 mal die Woche und problemlos ertragbar. Längere Abstände habe ich auch ausprobiert, dann wird es aber unangenehm.

Das allgemeine Leben ist normal und problemlos. Ich werde als Frau identifiziert und auch geachtet. Nur im Berufsalltag sind die Probleme mit gewissen Kollegen nahezu unverändert. Bei geführten Unterredungen mit dem Personalbüro wurde das Problem zwar als handfestes Mobbing erkannt, aber ohne dass etwas Grundlegendes dagegen unternommen wurde. Selbst die Leitungskräfte schließen nach wie vor die Augen, sie scheinen viel mehr mit sich selbst beschäftigt zu sein. Im Prinzip könnte mir das egal sein, ich bin auf diese Vögel nicht angewiesen, ich sollte einfach darüber hinweg sehen, wie man mir mehrmals empfohlen hat. Aber wenn wichtiger betrieblicher Informationsfluss betroffen ist und ich dann deshalb angemacht werde, da kann ich nicht so einfach darüber hinweg sehen, da ist das alles gar nicht mehr so lustig. Wie soll man mit jemandem zusammenarbeiten, wenn man gar nicht für ihn existiert und man völlig ignoriert wird? Manchmal klappt ja die Weitergabe von Informationen über andere Kollegen als Mittelsleute!

Es ist schlimmer als im Kindergarten, schlimmer als wenn Kinder bockig sind. Da wird der Hörer bewusst aufgelegt, wenn man mich plötzlich an der Strippe hat und man nicht mit mir in der Einsatzleitung gerechnet hat. Und dann ruft ein anderer Maschinist der gleichen Besatzung bei mir an, um mit mir zu reden. Das größte Kasperletheater war aber vor kurzem: Ein Kollege rief aus Hamburg wegen Personalplanung bei der Personaldisponentin, die ebenfalls bei mir mit im Büro sitzt, und Herr Paschke (Name geändert), aus gesundheitlichen Gründen seit einiger Zeit nicht mehr auf Montage und nun im Büro, als ihr Vertreter, ca. 5 m Schreibtischentfernung, an. Nachdem da alles geklärt war, wollte er bei mir noch Übernachtungen im Hotel bestellen. Mir konnte das Herr Paschke (Name geändert) nicht sagen, der Telefonanruf wurde auch nicht auf mein Telefon weitergestellt. Warum sollte das auch geschehen, ich existiere für den Herren ja nicht! Der Kollege in Hamburg musste auflegen und noch mal, dann auf mein Telefon, anrufen. Nun wollte es der Zufall so, dass er bei der Personalplanung noch etwas vergessen hatte. Meine Gesprächsweiterleitung zur Personalplanung wurde natürlich ignoriert, mein Name war ja im Display des Telefons zu lesen, und der Kollege in Hamburg musste wieder auflegen und erneut anrufen.

Lustig, nicht wahr? Bei so viel Schwachsinn lachen sogar die Hühner! Und mit solchen Pappnasen hat man es immer wieder zu tun. Nach über ein Jahr wieder in dieser Niederlassung haben sich einige noch immer nicht mit meinem Identitätswechsel abfinden können bzw. dies akzeptiert. Ich bin zwar überall dabei, gehöre aber nicht dazu, werde wahrscheinlich nie dazu gehören. Und dann können sie nicht verstehen, dass ich bei der ersten besten Gelegenheit, die Konditionen müssen stimmen, weg will. Verlieren kann ich eigentlich nichts mehr, nur gewinnen. 

 

Eintrag 25.03.2013

Wieder ein Jahr älter, nun 56 Jahre. Die Zeit vergeht so schnell. Vor genau 6 Jahren und 6 Wochen hatte ich mein Coming-out. Wenn ich auch heute über mich nachdenke, überkommt mich auch jetzt noch immer ein wahnsinniges Glücksgefühl, unbeschreiblich und schön. Dann könnte ich fast die Welt umarmen. Ich habe alles erreicht, kann so leben wie ich mich fühle. Schlüssig in Körper und Seele lebe ich meist anerkannt und geachtet auch in meiner neuen Identität. Selbst in meinem Betrieb scheint sich einiges zu verbessern, wenn auch oft nur in kleinen, teilweise sehr kleinen Schritten.

Viele neue Freundinnen und Freunde bereichern mein heutiges Leben. Die "Freunde", die ich damals hatte, haben sich fast alle von mir abgewendet. Bei einigen wenigen war ich wirklich enttäuscht, aber es war zu verschmerzen. Sie passten wohl doch nicht in mein Leben. Aus heutiger Sicht kann ich sagen, richtige Freundschaften waren das eigentlich nie gewesen, eher Bekanntschaften, man kannte sich halt.

 

Eintrag 26.05.2013

Mal nach langer Zeit wieder ein wenig Statistik; Hormone seit 1682 Tagen (etwa 4,6 Jahre) und OP vor 1061 Tagen ( 2,9 Jahre), OP-Ergebnis nach wie vor gut und auch mit den Hormonen keine Beschwerden. Mit meiner Ehepartnerin ist das Verhältnis weiterhin super, so dass ich mich nicht beklagen kann. Obwohl wir verkuppelt wurden, funktioniert das heute mit uns immer noch. Ja wir kommen sogar wirklich besser miteinander klar, als vor meinem Identitätswechsel, wenn auch gerade die Zeit der Transition schwer war. In der kommenden Woche sind wir nun schon seit 27 Jahren verheiratet.

Schon Unser Urlaub in Italien ist auch schon wieder Geschichte und durch den Alltag fast vergessen. Rom, Golf von Neapel, Vesuv, Capri und die Amalfiküste sind wirklich eine Reise wert. Wir haben viel gesehen, sogar in den Krater des Vesuv konnte ich reinschauen. Der sieht so friedlich aus, doch haben da alle Angst vor diesem Vulkan. Allerdings gab es bei dieser Reise am Rande eine nicht so schöne Begebenheit. Na ja, irgendwelche Pappnasen, die sich dann auch noch für großartige Alphamännchen halten, kriegen das eben einfach nicht auf die Reihe, dass Menschen wie ich nun mal Realität sind. Sie müssen halt rummotzen und das vorsichtshalber nur durch die Blume, aber sie haben ihre Meinung kundgetan. Schwamm drüber, mit solchen Vögeln muss man eben immer rechnen.

Mein Pluto war natürlich wie bei jeder Reise mit! Er beschützt meine Seele vor solchen Mitbürgern und spendet Trost wie schon seit meinem Coming out.

 

Eintrag 30.06.2013

Heute vor genau 3 Jahren hatte ich meine GaOP und ich muss heute schon ganz schön nachdenken, wenn ich mich auch an Kleinigkeiten und vieles drum herum, was damals so nebenbei noch alles passierte, erinnern will. Ich hab nichts bereut und das normale Leben hat mich schon seit langem wieder, nun natürlich voll und ganz als Frau und nicht nur seelisch wie früher. Trotzdem denke ich manchmal schon etwas wehmütig an die Zeit der Transition und kurz danach zurück. Wenn es auch und das vor allem psychisch gesehen, eine sehr, sehr schwere Zeit war, sie hatte trotzdem schöne Erlebnisse. Gerade wenn ich an die vielen wunderschönen Freundschaften denke. Sie waren eine unheimliche Bereicherung. Doch nachdem bei mir und bei mehreren anderen ebenfalls das Ziel, die OP, erreicht war, wurde der Zusammenhalt immer schwächer. Nach und nach kam der Alltag wieder zurück, die Treffen wurden weniger, bis sie oft ganz ausblieben. Der Alltag, vor allem der berufliche für die, die wieder einer Arbeit nachgehen können, lässt kaum oder oft sogar keine Zeit mehr dafür. Da bleibt es höchstens bei einem Telefongespräch, einer Mail oder SMS. Doch auch das ist schon mehr ein Wunschdenken. Aber ich sehe es ja bei mir selber, nach der Arbeit hat man meist keine Lust mehr, noch irgendwo hinzufahren. Und bei mir bestanden die meisten Freundschaften in Berlin. Hier im direkten Umfeld habe ich zwar ebenfalls wieder Freundschaften gefunden, doch wäre der Bestand der alten, zu mindestens einiger, auch ganz schön gewesen.

 

Eintrag 31.10.2013

Es ist wieder viel Zeit vergangen, seit ich hier den letzten Eintrag vorgenommen habe. Aber es passiert im normalen Alltag nun eben nicht mehr oft was Neues, über das es hier zu berichten gilt. Erst der Oktober war wieder voll mit Ereignissen. Vor nunmehr 40 Jahren hatte ich in Halle meine Lehre begonnen und nun wurde zum Klassentreffen geladen. Mit etwas Skepsis hatte ich mein Kommen zugesagt. Wie würden meine ehemaligen Klassenkameraden reagieren, kannten sie doch nur den Harald? Ich wurde aber nicht enttäuscht. Es gab bei einigen zwar eine relative Zurückhaltung, das wirkte sich aber auf das Gesamtklima nicht sonderlich aus. Im Allgemeinen wurde ich so wie ich heute bin akzeptiert und ich hab mich in der Runde auch wohl gefühlt. Es hat mir in Halle sehr gefallen und meine Bedenken waren eigentlich unbegründet. Ist doch ein gutes Zeichen von Toleranz.

In der zweiten Oktoberhälfte hatte ich meinen Jahresurlaub. Diesmal ging es nach Sansibar. Sansibar ist eine autonome Region von Tansania. Ich hatte mich schon lange auf diesen Urlaub gefreut. Auch hier gab es keine Probleme (hätte es auch nicht gedurft, denn "Hakuna Matata" ['Kein Problem'] hört man den ganzen Tag überall von den Einheimischen). Bis auf einige fragende Blicke wurde ich überall wie jede andere Frau auch akzeptiert und angesehen. Auch bei der Hin- und Rückreise im Flugzeug und auf den Flughäfen war das so. Selbst am Strand im Bikini fühlte ich mich unter all den Urlaubern akzeptiert. Bei unserem Besuch in der Inselhauptstadt Stone Town gab es zwar viele neugierige Blicke, mehrere drehten sich auch nach mir um, wie meine Ehepartnerin beobachtet hatte, ohne dass wir aber etwas Nachteiliges bzw. Verachtendes bemerkt hatten. Ich hab mich richtig wohl gefühlt! 

 

 

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Es ist wunderbar, nun endlich so zu leben, wie ich mich seelisch fühle. Deswegen würde ich auch immer wieder diesen Weg gehen, egal wie steinig er war. Nichts habe ich bereut, nichts möchte ich rückgängig gemacht haben. Manchmal kommt es mir so vor, als würde ich immer noch träumen. Der Harald ist nur noch Bestandteil meiner persönlichen Lebensgeschichte. Und meine Partnerin versucht so gut es geht, diese Harumi Michelle zu verstehen und auch zu akzeptieren, obwohl sie manchmal ganz schön eine Zicke sein kann. Sie war ihr "Ehemann" und ist jetzt ihre "Ehepartnerin"!

 

Wir mussten lernen, dass "SIE" ICH sein wollte, "SIE" die Kraft hatte, sich einzufordern, "SIE" mich miserabel fühlen lassen konnte, wenn ich versuchte, "SIE" zu ignorieren. 

Alles echt, am 01.02.2011 mal wieder in unserer Lieblingsgaststätte.

 

Das ist "SIE", und ICH bin "SIE" !

Alles echt - nichts muss mehr improvisiert werden!

Das Leben ist schön, wenn alles harmoniert!

 

Einige Bilder hier können auch vergrößert werden, einfach nur anklicken.

© H. M. Waßerroth